Corona-Hilfen: EU-Rechnungshof warnt vor Betrügereien

02.04.2021 05:00

Der Europäische Rechnungshof sei «Anwalt des Steuerzahlers», sagt
Präsident Klaus-Heiner Lehne im Interview der Deutschen
Presse-Agentur. Aber das ist nicht alles: Selbst Bienen haben etwas
von der EU-Institution.

Luxemburg (dpa) - Der EU-Rechnungshof warnt vor Missbrauch und
Betrügereien bei den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfen der
Europäischen Union. «Je schneller viel Geld auf die Straße gebracht
wird, desto mehr steigen die Risiken, das ist zwangsläufig so», sagte
Rechnungshofpräsident Klaus-Heiner Lehne der Deutschen
Presse-Agentur. Entscheidend seien deshalb wirksame Kontrollen.

Das 750-Milliarden-Euro-Programm mit Wirtschaftshilfen nach der
Corona-Krise wird derzeit vorbereitet. Obwohl in Deutschland ein
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht läuft, hofft die
EU-Kommission auf einen pünktlichen Start Ende Juni. Insgesamt sind
im EU-Haushaltsrahmen bis 2027 rund 1,8 Billionen Euro eingeplant.

Lehne sagte, da sich das Haushaltsvolumen somit fast verdoppelt habe,
steige auch der Kontrollaufwand. 2022 brauche der Rechnungshof 40
neue Stellen, zusätzlich zu den derzeit rund 900 Mitarbeitern. «Aber
ich kann versichern: Wir werden in der Lage sein, das zu prüfen»,
sagte Lehne. «Wir haben den Auftrag, wir werden das tun.»

Jedes Jahr fließen nach Erkenntnissen des Rechnungshofs EU-Gelder in
Milliardenhöhe in falsche Kanäle. Im jüngsten Jahresbericht für 201
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hatten die Prüfer fehlerhafte Ausgaben von mehr als vier Milliarden
Euro moniert. In den meisten Fällen handelt es sich aus Sicht der
Kontrolleure nicht um Betrug, sondern um Fehler. «Betrug findet
statt, das ist kein Thema, aber Betrug ist eine Ausnahme», sagte
Lehne.

Das größte Problem ergebe sich bei den sogenannten Kohäsionsfonds zur

Förderung der wirtschaftlichen Angleichung der EU-Staaten, sagte
Lehne. Die Fehlerquote liege mit vier bis fünf Prozent viel zu hoch.
Falsche Anträge oder Abrechnungen gebe es in jedem EU-Staat, auch in
Deutschland.

«Die Hauptursache liegt ohne Zweifel in der Komplexität der
Regelungen und in der Tatsache natürlich auch, dass wir eine geteilte
Mittelverwaltung haben», sagte der Behördenchef. Das heißt, dass
örtliche Behörden mit zuständig sind. Dort komme es vergleichsweise
oft zu Fehlern. «Wir verlangen seit langem, dass das vereinfacht
werden soll, aber es ist halt ein mühsamer Prozess.»

Der Europäische Rechnungshof mit Sitz in Luxemburg wurde 1977
gegründet mit dem Ziel, die EU-Gelder besser zu verwalten. Lehne,
früher CDU-Europaabgeordneter, ist seit 2016 Präsident. In 30 bis 50
Sonderberichten pro Jahr prüft die Institution unter anderem die
Wirksamkeit einzelner Maßnahmen - zum Beispiel EU-Programme im Kampf
gegen Kinderarmut, die Ziele beim Kunststoffrecycling oder den
Fortschritt der Digitalisierung. Der Hof verstehe sich als «Anwalt
des Bürgers und des Steuerzahlers», sagte Lehne. Ziel sei, die
EU-Institutionen bei Missständen zu Korrekturen zu bewegen.

Am meisten Widerhall fänden Berichte zu Alltagsthemen, darunter
zuletzt etwa zum unzureichenden Schutz der EU für Wildbienen. Als
Bienenschützer betätige sich der Rechnungshof im übrigen auch ganz
praktisch, berichtete Lehne: Im Innenhof des Amtssitzes in Luxemburg
stünden mehrere Bienenstöcke, die von Freiwilligen betreut würden und

«Rechnungshof-Honig» produzierten. «Wir fliegen selbst», sagte Lehn
e.