Scheuer warnt EU-Kommission vor zu scharfen Vorgaben für Autobranche Von Andreas Hoenig, dpa

05.04.2021 12:58

Es geht um wichtige Weichenstellungen für die Autoindustrie in den
kommenden Monaten. Der Verkehrsminister sendet eine klare Botschaft
nach Brüssel und erntet Kritik aus der Opposition.

Berlin (dpa) - Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat die
EU-Kommission vor zu scharfen Regelungen für die Autoindustrie
gewarnt. Der CSU-Politiker sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Man
soll mutig sein in den Vorgaben, aber den Grundsatz des technisch
Möglichen im Blick haben. Wir dürfen die Automobilindustrie in Europa
nicht verlieren, weil sie sich sonst woanders niederlassen wird.»

In der Debatte geht es zum einen um eine Verschärfung von
Kohlendioxid-Grenzwerten für mehr Klimaschutz. Vorschläge aus Brüssel

dazu werden im Juni erwartet. Zum anderen will die EU-Kommission eine
neue Abgasnorm Euro 7 mit strikteren Vorgaben für Stickoxide und
andere Schadstoffe vorlegen.

«Ich kann nur die EU-Kommission auffordern, den Menschen die
Begeisterung für Mobilität zu erhalten, indem wir auf Innovation
setzen», sagte Scheuer. Er wolle, dass die Autoindustrie eine Zukunft
habe. «Das gelingt aber eben nur mit Innovation. Nur ein Ziel zu
formulieren, ergibt noch kein gutes Klima und keine gute Luft. Wir
müssen uns modern und innovativ aufstellen, auch mit strengen
Vorgaben, die aber leistbar und umsetzbar sein müssen. Dann machen
wir das Richtige.»

Der Verband der Automobilindustrie hatte mit Blick auf eine strengere
Abgasnorm bereits vor einem faktischen Aus für Autos mit
Verbrennungsmotor ab 2025 gewarnt. Vor allem viele kleine und
mittlere Zulieferer hängen noch am Verbrenner.

Die Opposition im Bundestag warf Scheuer eine falsche Nachgiebigkeit
gegenüber der Autoindustrie vor. «Arbeitsplätze in der
Automobilindustrie werden nicht durch lasche Vorgaben für Abgase und
den Spritverbrauch erhalten. Das Gegenteil ist der Fall», sagte
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Das habe Scheuer «immer noch
nicht begriffen und singt damit weiter das Lied des
Herstellerverbandes».

Der Linke-Verkehrspolitiker Jörg Cezanne meinte: «Ohne scharfe
Vorgaben aus Brüssel wird der Straßenverkehr das Sorgenkind der
Klimaschutzpolitik bleiben.» Die Bundesregierung müsse «den
Widerstand gegen das perspektivische Aus des Verbrennungsmotors
aufgeben.»

Zwar sind die Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland auch
dank erhöhter staatlicher Kaufprämien stark gestiegen. Immer noch
aber dominieren Benziner und Diesel auf den Straßen. Die Autobranche
dringt auf mehr Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos.

Die europäische Autoindustrie hatte sich vor kurzem offen gezeigt für
eine Verschärfung von Kohlendioxid-Grenzwerten - dies müsse aber
gekoppelt werden an verbindliche Ausbauziele der EU-Staaten für
Elektroladesäulen und Wasserstofftankstellen, wie der Branchenverband
Acea erklärt hatte.

In Deutschland hatte der Verkehrssektor 2020 sein Klimaziel doch noch
erreicht. Das lag aber auch daran, dass es wegen der Pandemie
deutlich weniger Reisen mit dem Auto oder dem Flugzeug gab.

Scheuer sagte, die Klimaziele seien nicht nur durch die Folgen der
Pandemie erreicht worden. «Auch unsere Maßnahmen aus dem
Klimaschutzprogramm haben dazu beigetragen.» Scheuer verwies auf
Förderprogramme etwa zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und zur
Verbesserung der Luftqualität in Städten.

«Wir dürfen nicht locker lassen beim Klimaschutz - aber nicht mit
Verboten und Einschränkungen, sondern mit Innovationsförderung und
Technologieoffenheit», so der Minister. Er sprach sich für einen
verstärkten Einsatz synthetischer Kraftstoffe bei Autos mit
Verbrennungsmotor aus, um den Übergang zu erleichtern. «Der
Automobilsektor befindet sich in einem Transformationsprozess und wir
beliefern die Welt mit unseren Produkten. Es ist unsere Aufgabe,
Export- und Logistikweltmeister zu bleiben.»

Ein verstärkter Einsatz von E-Fuels ist höchst umstritten. Dies sind
synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und
Kohlendioxid produziert werden. Umweltverbände etwa argumentieren,
ihre Herstellung sei ineffizient und sehr teuer.