Neue Angriffe in der Ostukraine - Ausland zeigt sich besorgt

05.04.2021 18:01

Trotz geltender Waffenruhe kommt es am Wochenende zu neuen tödlichen
Angriffen im Donbass. Ukrainische Streitkräfte und prorussische
Separatisten machen sich gegenseitig Vorwürfe. Droht eine neue
Eskalation?

Kiew (dpa) - Nach neuen tödlichen Angriffen in der Ostukraine hat der
EU-Außenbeauftragte Josep Borrell der Ukraine im Konflikt mit den
prorussischen Rebellen Unterstützung zugesichert. Mit großer Sorge
verfolge man die russischen militärischen Aktivitäten rund um die
Ukraine, schrieb Borrell am späten Sonntagabend nach einem Telefonat
mit dem ukrainischen Außenminister Dmitri Kuleba. Russland warnte
indes vor einer Eskalation der Lage.

«All das ist eine bittere Folge der ungelösten Situation, mehr noch,
eine Folge der erhöhten Spannung an der Trennlinie (Front)», sagte
Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Agentur Interfax
zufolge. Der Kreml äußerte sich auch zu Berichten über den Tod eines

fünfjährigen Jungen im Donbass, für den die prorussischen
Separatisten am Wochenende ukrainische Streitkräfte verantwortlich
gemacht hatten. «Jedes Mal, wenn ein Mensch getötet wird, besonders
wenn es ein Kind ist, ist es eine Tragödie», sagte Peskow.

Die ukrainische Armee hatte den Vorwurf zurückgewiesen, mit einer
Drohne einen Sprengsatz abgeworfen zu haben. Ukrainische Medien
berichteten später, der Junge sei durch eine Mine getötet worden. Der
Ort Olexandriwske befindet sich etwa 14 Kilometer von der Front
entfernt. 2015 fanden in dem Gebiet schwere Kämpfe statt.

Vor einigen Tagen sei außerdem im Luhansker Separatistengebiet ein
Kämpfer getötet worden. Am Sonntag soll zudem ein Zivilist bei
Mykolajiwka am Fluss Siwerskyj Donez durch eine Landmine verletzt
worden sein. Auf ukrainischer Seite wurde laut Armee im Donezker
Gebiet bei der Siedlung Schumy ein Soldat durch einen Sprengsatz
getötet. Davor war über die Verwundung zweier weiterer Soldaten
informiert worden.

Deutschland und Frankreich, die sich im Normandie-Format mit für eine
Lösung des Ukraine-Konflikts bemühen, zeigten sich «besorgt über di
e
steigende Zahl der Waffenstillstandsverletzungen», nachdem sich die
Lage zwischenzeitlich stabilisiert habe. «Wir beobachten die
Situation, insbesondere die Bewegungen russischer Truppen, sehr
aufmerksam und rufen die Parteien zur Zurückhaltung und sofortigen
Deeskalation auf», hieß es in einer gemeinsamen Erklärung des
Auswärtigen Amtes und des französischen Außenministeriums.

«Die auffällige Zunahme von Fake News und Desinformationskampagnen in
den sozialen Medien in den letzten Tagen erhöht die Gefahr von
gefährlichen Missverständnissen, umso wichtiger sind jetzt
Transparenz und ungehinderter Zugang der OSZE-Beobachter», sagte
Außenminister Heiko Maas (SPD) der «Süddeutschen Zeitung».

Margarita Simonjan, Chefredakteurin des russischen
Auslandsfernsehsenders RT, wiederholte am Wochenende ihre Forderung
nach einer Einverleibung der ostukrainischen Gebiete durch Russland.
«Mütterchen Russland, hol den Donbass nach Hause», sagte Simonjan,
die als kremltreue Propagandistin in der Kritik steht, im
Fernsehsender NTW.

Russland gewährt trotz internationalem Protest Bewohnern der
ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk die russische
Staatsbürgerschaft. Seit Juni 2019 sollen so etwa 400 000 russische
Pässe ausgegeben worden sein. Kiew hatte wiederholt die Sorge
geäußert, dass unter dem Vorwand des Schutzes russischer Staatsbürger

ein russischer Angriff auf den Donbass erfolgen könnte.

Der ukrainische Generalstabschef Ruslan Chomtschak hatte vor gut
einer Woche im Parlament in Kiew erklärt, Russland habe an der Grenze
zur Ukraine massiv Truppen zusammengezogen. Der Kreml warf der
Regierung des Nachbarlandes einmal mehr vor, Vereinbarungen des
Minsker Friedensabkommens von 2015 nicht umgesetzt zu haben.

Seit knapp sieben Jahren kontrollieren Rebellen Teile der Gebiete
Donezk und Luhansk entlang der russischen Grenze. UN-Schätzungen
zufolge wurden seitdem mehr als 13 000 Menschen getötet. Trotz
vereinbarter Waffenruhe sind seit Jahresbeginn auf Regierungsseite
mindestens 21 Soldaten getötet worden. Im gleichen Zeitraum sind
Angaben der Separatisten zufolge etwa 23 Menschen getötet worden.

Neue Spannungen in der Ostukraine hatten zuletzt international
Besorgnis ausgelöst. Beobachtern der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zufolge liegt die Zahl der Verstöße
gegen die Waffenruhe jedoch weiter deutlich unter den Werten des
Vorjahres.