Özdemir: EU-Treffen mit Erdogan ist «Selbstverzwergung» und ein Hohn

06.04.2021 12:02

Brüssel (dpa) - Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hat
scharfe Kritik an dem Treffen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula
von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel mit dem türkischen
Präsident Recep Tayyip Erdogan geübt. Erdogan wolle die Opposition
ausschalten, steige aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen
aus und bringe Hunderttausende Unschuldige vor Gericht, schrieb der
Außenexperte am Dienstag auf Twitter. Dass sich die EU-Spitzen nun
mit Erdogan träfen, «um Geschenke zu machen», sei «Brüsseler
Selbstverzwergung» und «Hohn für alle Demokrat*innen der Türkei».


Hintergrund der Reise von von der Leyen und Michel an diesem Dienstag
nach Ankara sind Vereinbarungen des EU-Gipfels vor eineinhalb Wochen.
Bei ihm hatten sich die Staats- und Regierungschefs darauf
verständigt, die Beziehungen zur Türkei schrittweise wieder
auszubauen. So sollen unter anderem die Vorbereitungen für
Verhandlungen einer Ausweitung der Zollunion beginnen.

Mit den Beschlüssen soll der Türkei ein Anreiz gegeben werden,
konstruktiv nach einer Lösung von Konflikten mit Griechenland und
Zypern zu suchen. Bei ihnen geht es unter anderem um bis vor Kurzem
erfolgte türkische Erdgaserkundungen in der Nähe von griechischen
Inseln und vor Zypern. In dem Streit hatte die EU der Türkei im
vergangenen Dezember scharfe Sanktionen angedroht. Daraufhin beendete
das Land die umstrittenen Erdgaserkundungen und signalisierte
Gesprächsbereitschaft.

Der CSU-Politiker und Europaabgeordnete Manfred Weber betonte, eine
Ausweitung der Zollunion mit der Türkei stehe aus seiner Sicht noch
nicht an. «Die türkische Führung muss zunächst einmal liefern»,
kommentierte der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten. Klar sei
auch, dass ein EU-Beitritt der Türkei eine Illusion sei.

Von der Leyen und Michel wollten sich am Dienstagmittag mit Erdogan
treffen. Vorher war noch ein Gespräch mit Vertretern von
Organisationen der Vereinten Nationen und der Internationalen
Organisation für Migration (IOM) geplant gewesen. Bei sollte es vor
allem um die zukünftige Unterstützung der syrischen Flüchtlinge in
der Türkei, aber auch um den jüngsten Austritt der Türkei aus dem
Abkommen zum Schutz von Frauen gehen.