Verbrenner-Aus: Wagenknecht wettert gegen EU-Beschluss Von Robin Wille, Marek Majewsky und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

06.04.2024 08:00

In Europa sollen ab 2035 nur noch Neuwagen zugelassen werden, die
ohne schädliche Klimagase fahren. So ist es beschlossen. Doch es regt
sich politischer Widerstand. Wie steht es um die Wende zum E-Antrieb?

Berlin (dpa) - Die Verkehrswende in Europa hat Gegenwind. Nach der
Union und der FDP streitet nun auch das Bündnis Sahra Wagenknecht
gegen das Aus für Neuwagen mit Verbrennermotoren ab 2035 in der
Europäischen Union. «Das BSW wird im Europawahlkampf die Rücknahme
der Beschlüsse und mehr Forschung in verbrauchsärmere Verbrenner
fordern», sagte Parteigründerin Sahra Wagenknecht der Deutschen
Presse-Agentur. Experten warnen allerdings vor Verunsicherung bei
Verbrauchern und Autoindustrie, wenn die langwierige Debatte abermals
neu aufgerollt wird.

Die EU-Staaten und das Europaparlament hatten das Aus für Neuwagen
mit Diesel- und Benzinmotoren ab 2035 vor einem Jahr besiegelt.
Konkret gilt dann, dass Neuwagen kein Kohlendioxid mehr ausstoßen
dürfen, wie es bei der Verbrennung von Benzin und Diesel entsteht.
Ausnahmen werden für sogenannte E-Fuels erwogen, die die Atmosphäre
nicht mit zusätzlichem CO2 belasten. Nach heutigem Stand erreichen
Elektroautos die künftigen Vorgaben am preisgünstigsten. Noch sind
sie aber deutlich teurer als Verbrenner.

«Ein schwerer Fehler»

Zuletzt hatte bereits der CSU-Europapolitiker Manfred Weber gesagt,
«dass das Verbot des Verbrenner-Motors ein schwerer
industriepolitischer Fehler war, von dem China profitiert». Man wolle
diesen «nach den Europawahlen heilen», meinte der Partei- und
Fraktionschef der Europäischen Volkspartei. 

Wagenknecht äußerte sich ähnlich: «Dass die EU das Aus für den
Verbrenner besiegelt und damit dem Siegeszug chinesischer
Batterieautos in Europa den Weg bereitet hat, steht beispielhaft für
die Übergriffigkeit und Inkompetenz der gegenwärtigen
EU-Institutionen.» Die deutsche Autoindustrie sei beim Verbrenner
Weltklasse. «Mit der dauerhaften Produktion von spritsparenden Autos
könnten die heimische Industrie mit ihrem einzigartigen Knowhow und
Hunderttausende gut bezahlte Arbeitsplätze geschützt werden», sagte
Wagenknecht. Ziel sei «eine neue Verbrennergeneration, die alle
Effizienzrekorde bricht».

Das EU-Ziel eines Verkehrs ganz ohne zusätzliche Emissionen ab 2050
wäre allerdings selbst mit extrem sparsamen Verbrennern wohl kaum zu
erreichen. Zudem hat auch die deutsche Autoindustrie inzwischen
Milliarden in die Produktion von Elektroautos gesteckt oder solche
Investitionen angekündigt. 

«Eine kritische Situation»

«Wir befinden uns in einer kritischen Situation», sagte Autoexperte
Stefan Bratzel, der das Center of Automotive Management (CAM) in
Bergisch Gladbach leitet. Einige Hersteller und Zulieferer hätten
sich auf das Verbrenner-Aus vorbereitet und bereits größere
Investitionen getätigt. Deshalb seien alle Entwicklungen schlecht,
welche die Sicherheit diesbezüglich wieder ein Stück weit infrage
stellen. 

Das Verbrenner-Aus funktioniere nur dann, wenn sich die
Rahmenbedingungen wie Ladepunkte, die Autopreise und Betriebskosten
in richtiger Geschwindigkeit in die richtige Richtung entwickelten.
Der Markthochlauf gestalte sich als schwieriger als erwartet, sagte
Bratzel. Die Politik müsse klare Orientierung geben. Verunsicherungen
- auch bei den Verbrauchern - seien Gift, meinte der Experte. 

Aus der deutschen Autoindustrie sind unterschiedliche Töne zu hören.
Der Volkswagen-Konzern positioniert sich gegen ein Abrücken oder
Aufweichen des Verbrenner-Ausstiegs 2035. Dagegen will BMW kein fixes
Ausstiegsdatum. Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius hob zuletzt die
«strategische Flexibilität» des Autobauers beim Verbrenner hervor,
nachdem er jahrelang die Ambitionen des Autobauers in Sachen
E-Mobilität betont hatte.

Schwache Zulassungszahlen für Stromautos

Fakt ist: Käufer halten sich bei E-Autos derzeit zurück, zumal auch
die staatliche Förderung weggefallen ist. Seit Monaten nimmt die Zahl
der neu zugelassenen Batterie-Pkw ab. Das Ziel der Bundesregierung,
bis 2030 mindestens 15 Millionen Batterie-Autos auf deutschen Straßen
zu haben, liegt in weiter Ferne. Zum 1. Januar waren laut
Kraftfahrt-Bundesamt knapp 1,41 Millionen reine batteriebetriebene
Stromer in Deutschland zugelassen. Nach einer Forsa-Umfrage für die
Targobank würden derzeit bei einem Autokauf 68 Prozent der gut 1000
Befragten einen Verbrenner einem E-Auto vorziehen (2023: 72
Prozent). 

Wackelt also die Verkehrswende in Europa? Im Rechtsakt zum
Verbrenner-Aus ist festgehalten, dass die EU-Kommission 2026
überprüft, welche Auswirkungen das Gesetz hat und welche Fortschritte
erzielt wurden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU)
betonte im Februar: «Ich denke, oft wird vergessen, dass im Jahr 2026
eine Bestandsaufnahme und eine Überprüfung stattfinden wird.» Manche

nahmen es als Andeutung, dass die Entscheidung zurückgenommen werden
könnte.