Ex-Insider fordert Orbans Macht heraus - Massenprotest in Budapest

06.04.2024 18:17

Budapest (dpa) - Zehntausende Ungarn haben am Samstag in Budapest
gegen die Regierung des rechtspopulistischen Regierungschefs Viktor
Orban demonstriert und Neuwahlen gefordert. Aufgerufen zu einer der
größten Protestkundgebungen der letzten Jahrzehnte hatte der
ehemalige Politik-Insider Peter Magyar, der sich erst kürzlich zum
Orban-Kritiker gewandelt hatte. «Die Regierung möge die Macht zurück

in die Hände des Volkes legen und ihm die Wahlmöglichkeit geben»,
sagte Magyar in einer knapp einstündigen Ansprache. 

Magyar war mit der ehemaligen Justizministerin Judit Varga
verheiratet und hatte selbst Führungsposten in staatlichen und
staatsnahen Institutionen und Unternehmen bekleidet. Im Februar hatte
er überraschend mit seinem bisherigen politischen Umfeld gebrochen.
Unmittelbarer Anlass war seiner Darstellung nach die Affäre um die
Begnadigung eines Pädophilen-Helfers, die zum Rücktritt von
Staatspräsidentin Katalin Novak sowie dem Ende der politischen
Laufbahn seiner Ex-Frau geführt hatte. 

Seit seinem öffentlichen Auftreten als Kritiker der Orban-Regierung
wirft Magyar dem Umfeld des Regierungschefs Korruption und
Machtmissbrauch vor. Zur Untermauerung seiner Anschuldigungen
veröffentlichte er im Vormonat den Mitschnitt eines Gesprächs, das er
Anfang des Vorjahres mit Varga geführt hatte, als sie
Justizministerin und er noch mit ihr verheiratet war. Darin schildert
die Politikerin, wie Gefolgsleute von Orbans mächtigem
Kanzleiminister Antal Rogan in staatsanwaltliche Ermittlungen
eingegriffen und den Minister belastende Stellen aus den Akten
getilgt haben sollen. Varga bestritt die Authentizität des Gesprächs
nicht, behauptete aber, von Magyar zu Aussagen manipuliert und
genötigt worden zu sein, die inhaltlich nicht stimmten. 

Auf der Kundgebung am Samstag rief Magyar in die Menge: «Wir fordern
unser Land und unsere nationalen Symbole zurück!» Er ermutigte die
Menschen, sich in seiner neuen Bewegung «Auf, auf, Ungarn!» zu
engagieren. Bei der Europawahl am 9. Juni kann Magyar mit keiner
eigenen Partei antreten, weil er mit einer Parteigründung die Fristen
nicht einhalten kann. Er verhandle aber mit existierenden Parteien,
um ein Antreten zu ermöglichen. Das Ergebnis der Europawahl in Ungarn
werde «zum ersten Sargnagel» für das Orban-System, fügte Magyar
hinzu.