Neues EU-Netzwerk soll Antisemitismus europaweit dokumentieren

16.04.2024 17:27

Vor allem mit dem neuen Nahost-Krieg haben antisemitische Vorfälle in
Deutschland stark zugenommen. Auch in anderen Ländern steigen die
Zahlen. Eine neue Initiative soll einen Überblick verschaffen.

Berlin (dpa) - Eine neue EU-Initiative soll antisemitische Vorfälle
europaweit erfassen und so einen länderübergreifenden Überblick übe
r
das Ausmaß an Judenfeindlichkeit geben. Dafür wurde am Dienstag das
Europäische Netzwerk zur Überwachung des Antisemitismus (Enma) in
Berlin ins Leben gerufen. «Man muss Antisemitismus sichtbar machen,
um ihn bekämpfen zu können», sagte die Antisemitismusbeauftragte der

Europäischen Kommission, Katharina von Schnurbein. Ein adäquates Bild
des Antisemitismus in der Gesellschaft zu erhalten, sei eine
Voraussetzung, um Politiker und Entscheidungsträger angemessen zu
informieren. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober
vergangenen Jahres habe man einen «Tsunami an Antisemitismus»
gesehen.

Der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) zufolge werden antisemitische
Vorfälle zu wenig gemeldet: Acht von zehn Menschen, die
Antisemitismus erleben, zeigen dies demnach nicht an. Es sei zu
«umständlich», dies zu melden, sagte von Schnurbein. Das Netzwerk
Enma, das jüdische und nichtjüdische zivilgesellschaftliche
Organisationen aus verschiedenen europäischen Ländern vereint, soll
dazu führen, dass die Schwelle zur Anzeige solcher Vorfälle bei der
Polizei gesenkt wird.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein,
erläuterte, es könnten alle antisemitischen Vorfälle auf dem
direktesten, schnellsten und unkompliziertesten Weg mitgeteilt
werden. Diese Informationen würden dann gesammelt, verifiziert,
analysiert und veröffentlicht. Die so gesammelten Daten zeichneten
ein Bild, das die Wirklichkeit des Antisemitismus in den Ländern
realistischer wiedergebe. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der
Antisemitismus-Meldestelle Rias, Benjamin Steinitz, sprach von einem
Meilenstein in der Antisemitismusforschung und -prävention.
«Antisemitismus ist in Europa auf dem Vormarsch, aber es ist zu wenig
über seine transnationale Dimension bekannt», betonte er.