USA und EU kündigen Sanktionen gegen Iran an - Die Nacht im Überblick

17.04.2024 04:44

Im Nahen Osten geht die Furcht vor einem neuen Krieg um. Die USA und
die EU wollen dem Iran Einhalt gebieten. Baerbock spricht erneut bei
Israels Regierungschef vor. Ereignisse der Nacht im Überblick.

Washington/Brüssel/Tel Aviv (dpa) - Die USA und die EU wollen mit
weiteren Sanktionen gegen den Iran nach dessen Großangriff auf Israel
einen neuen Krieg im Nahen Osten verhindern. Die Sanktionen richteten
sich unter anderem gegen das Raketen- und Drohnenprogramm der
Islamischen Republik und würden mit Verbündeten wie den G7-Staaten
koordiniert, teilte der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake
Sullivan, am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington mit. Kurz zuvor
hatte auch EU-Chefdiplomat Josep Borrell neue Sanktionen angekündigt.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will sich an diesem Mittwoch
in Israel dafür einsetzen, dass die Krise nicht weiter befeuert wird.

«Niemand darf jetzt weiteres Öl ins Feuer gießen», sagte Baerbock a
m
Dienstag vor ihrer Abreise in Berlin. Das gelte vor allem für den
Iran und seine Stellvertreter. Noch ist unklar, wie Israel auf den
iranischen Angriff vom Wochenende reagieren wird. Nach ihrem Besuch
in Israel reist Baerbock zum G7-Außenministertreffen nach Italien
weiter, wo es ebenfalls um die Konfliktlage in Nahost gehen dürfte.

Der Iran hatte Israel in der Nacht zum Sonntag mit Hunderten von
Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern angegriffen, die aber fast
vollständig abgefangen wurden. Der Angriff war eine Reaktion auf
einen mutmaßlich von Israel geführten Luftangriff auf das iranische
Botschaftsgelände in Damaskus, bei dem am 1. April zwei Generäle der
iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Experten sehen nun eine
große Kriegsgefahr in Nahost. 

Israels Außenminister: Der Iran muss gestoppt werden

Israels Außenminister Israel Katz sagte am Dienstag, er führe eine
«diplomatische Offensive» an und habe Dutzende von Regierungen
angeschrieben, um mehr Sanktionen gegen Teheran zu fordern. Diese
sollten eine «militärische Antwort» flankieren, schrieb er auf der
Plattform X (vormals Twitter), ohne Details zu nennen. «Der Iran muss
jetzt gestoppt werden - bevor es zu spät ist», so Katz.

Nach einer Videoschalte der Außenminister der EU-Staaten sagte
EU-Chefdiplomat Borrell, er werde sein Team um Vorbereitungen für
weitere Strafmaßnahmen bitten. «Wir werden das Sanktionsregime (...)
ausweiten und verschärfen.» Wann die geplanten neuen Sanktionen in
Kraft gesetzt werden könnten, sagte er zunächst nicht. 

Die von US-Sicherheitsberater Sullivan am Dienstagabend angekündigten
neuen Sanktionen Washingtons sollen neben dem iranischen Raketen- und
Drohnenprogramm auch Unterstützer der iranischen Revolutionsgarden
sowie das iranische Verteidigungsministerium treffen. Die
Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Irans und
einflussreicher als die reguläre Armee des Landes. Schon in den
vergangenen Jahren hatten die USA weitreichende Sanktionen verhängt,
die unter anderem auf iranischen Ölhandel zielen. Sie sollen den
Erzfeind der Atommacht Israel an der Entwicklung von Atomwaffen und
ballistischen Raketen hindern.

Experten warnen vor weiterer Eskalation

Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, kündigte einen
Vergeltungsschlag gegen militärische Einrichtungen des Irans an.
Israels Verteidigungsminister Joav Galant sagte am Dienstag, jeder
Feind, der Israel bekämpfe, werde selbst zum Ziel. «Die Iraner werden
nicht in der Lage sein, einen neuen Status der Abschreckung gegen den
Staat Israel zu schaffen», so Galant. Sollten sich der Iran und
Israel weiter mit Angriffen und Gegenangriffen überziehen, «führt das

zu einer echten Eskalation», warnte Ofer Fridman, israelischer
Ex-Offizier und Militärexperte am King's College London, im «Wall
Street Journal». 

«So eine Eskalationsspirale entgleitet sehr schnell und sehr einfach,
weil für beide Seiten sowohl Eskalation als auch Deeskalation riskant
ist», sagte der Konflikt- und Protestforscher Tareq Sydiq von der
Universität Marburg der Deutschen Presse-Agentur. «Man weiß nicht
genau, wie die andere Seite reagieren wird und ab welchem Zeitpunkt
ein Krieg auch unausweichlich wird. Das Risiko würde ich sehr hoch
einschätzen.»

Baerbock erneut in Israel

Damit es nicht zu einem neuen Krieg kommt, laufen die diplomatischen
Bemühungen auf Hochtouren. In Israel werde sie ihren
Gesprächspartnern «die volle Solidarität Deutschlands versichern und

wir werden darüber sprechen, wie eine weitere Eskalation mit Zug um
Zug mehr Gewalt verhindert werden kann», sagte Baerbock vor ihrem
überraschend angekündigten Besuch - ihrem siebten seit dem Überfall
islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober. «Es kommt jetzt
darauf an, Iran Einhalt zu gebieten, ohne einer weiteren Eskalation
Vorschub zu leisten», sagte sie bei einem Treffen mit ihrem
jordanischen Kollegen Aiman al-Safadi in Berlin.

Neben Netanjahu will die Grünen-Politikerin mit ihrem israelischen
Kollegen Katz sowie mit Benny Gantz sprechen, der dem Kriegskabinett
angehört. Anschließend reist sie weiter zum Treffen mit den
Außenministern der G7-Runde wirtschaftsstarker Demokratien auf der
italienischen Insel Capri. 

Britischer Premier rät Israel zur Besonnenheit

Der britische Premierminister Rishi Sunak riet in einem Telefonat mit
Netanjahu zu Besonnenheit. Eine erhebliche Eskalation sei in
niemandes Interesse. Sunak habe bei dem Gespräch am
Dienstagnachmittag die Unterstützung Großbritanniens für Israels
Sicherheit und die Stabilität in der Region bekräftigt, teilte die
britische Regierung mit. Der Iran habe sich schwer verrechnet und sei
international zunehmend isoliert, während die G7-Gruppe eine
diplomatische Antwort vorbereite.

Im Mittelpunkt der bis Freitag andauernden G7-Beratungen auf Capri
werden auch Israels Militäraktion gegen die islamistische Hamas im
Gazastreifen und die verheerende humanitäre Lage der Zivilbevölkerung
dort stehen. Zur G7-Runde gehören neben Deutschland die USA, Kanada,
Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Italien hat dieses
Jahr den Vorsitz. 

EU und USA auch über Gewalt im Westjordanland besorgt

Die Europäische Union und die USA sind zudem besorgt über die Lage im
Westjordanland, die sich ebenfalls zusehends verschärft. Die Gewalt
israelischer Siedler gegen Palästinenser und deren Besitztum habe in
den vergangenen Tagen nach der Ermordung eines 14-Jährigen aus einer
Siedlung stark zugenommen, sagte ein Sprecher von EU-Chefdiplomat
Borrell. Israel müsse Siedlergewalt verhindern und sicherstellen,
dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden. In der gegenwärtigen
Situation sollten alle Anstrengungen darauf gerichtet sein, weitere
Spannungen zu verhindern. Ähnlich äußerte sich am Dienstag auch der
Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Die israelische
Regierung habe die Verantwortung, extremistische Siedler für
Gewalttaten zur Verantwortung zu ziehen.

Israel hatte im Sechstagekrieg 1967 unter anderem das Westjordanland
und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen
Palästinensern rund 700 000 israelische Siedler. Die Palästinenser
beanspruchen die Gebiete für einen eigenen Staat mit Ost-Jerusalem
als Hauptstadt.