Umfrage: Brexit hemmt Geschäfte deutscher Firmen in Großbritannien

18.04.2024 04:12

Seit 2021 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarkts
und der Zollunion. Zwar haben sich viele Unternehmen auf die neuen
Verhältnisse eingestellt. Aber neue Sorgen kommen hinzu.

London (dpa) - Der Brexit und seine Folgen belasten weiterhin die
deutschen Handelsbeziehungen mit Großbritannien. «Erhöhte
administrative Aufwände, Logistikkosten und Zollabgaben erweisen sich
als dauerhaft schmerzhaft», ergab eine Umfrage der britischen
Handelskammer in Deutschland (BCCG) und der Prüfgesellschaft KPMG,
die der Deutschen Presse-Agentur in London vorliegt. Neue Regelungen
führten zu einer zunehmenden Entkopplung des Vereinigten Königreichs
von der EU. Die Ergebnisse sollten am Donnerstag im Rahmen des
Ludwig-Erhard-Gipfels am Tegernsee vorgestellt werden.

«Der Rückgang des deutsch-britischen Handelsvolumens ist dramatisch»,

sagte KPMG-Bereichsvorstand Andreas Glunz. Seit dem Brexit-Referendum
2016 sei das Handelsvolumen von 38 Millionen Tonnen auf 22 Millionen
Tonnen gesunken. Britische Exporte nach Deutschland seien 2022 zwar
erstmals seit 2016 wieder gestiegen. Grund seien aber vor allem
Spitzenpreise für Rohöl und Gas gewesen, mit denen wegfallende
Lieferungen aus Russland ersetzt wurden.

Neue Gesetze und Regulierungen bereiten 2024 Kopfschmerzen

«Der Brexit ist nicht vorbei», sagte Glunz der dpa. Er verwies auf
neue Gesetze und Regulierungen auf beiden Seiten des Ärmelkanals.
Viele Vorhaben würden entkoppelt oder nicht harmonisiert, etwa in der
Umweltpolitik oder im Bereich Künstliche Intelligenz. Die britische
Regierung will Hunderte Gesetze aus der Zeit der EU-Mitgliedschaft
(1973-2020) für ungültig erklären. BCCG-Präsident Michael Schmidt
warnte auch angesichts der geopolitischen Krisen vor einer weiteren
Entkoppelung. «Wir müssen dringend die Politik und Wirtschaft beider
Länder wieder annähern und Brücken bauen», sagte Schmidt.

Großbritannien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten und ist
seit 2021 auch nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und des
Binnenmarkts. Trotz eines in letzter Minute vereinbarten
Handelsvertrages kam es vor allem zu Beginn zu großen Problemen im
bilateralen Warenaustausch mit der EU. Auch in diesem Jahr kommen
weitere Änderungen auf die Unternehmen zu, unter anderem ein neues
britisches Zollmodell. Von Ende April an müssen britische Importeure
auf Lebensmittel wie Wurst, Käse und Joghurt, aber auch Schnittblumen
bis zu 145 Pfund (170 Euro) pro Ladung bezahlen.

Hälfte der Unternehmen klagt über schlechtere Geschäfte

Der Umfrage zufolge hat sich die Geschäftslage von jedem zweiten
Unternehmen (52 Prozent) im deutsch-britischen Wirtschaftsraum seit
dem Brexit verschlechtert. Bei 16 Prozent hat sich die Lage 2023
erheblich verschlechtert, nach 9 Prozent im Vorjahr. Der Anteil der
Unternehmen, deren Geschäfte seit dem Brexit besser laufen, hat sich
hingegen im Vergleich zu 2022 von 13 auf 6 Prozent in etwa halbiert.
Als Hauptbelastungen nannten die Firmen im «German British Business
Outlook» gestiegene Verwaltungsaufwand sowie erhöhte Logistikkosten
und gestiegene Zollabgaben.

Es gibt aber auch Lichtblicke, wie aus der Umfrage hervorgeht.
KPMG-Experte Glunz verwies auf Bereiche wie Digitalisierung,
Energiewirtschaft und -sicherheit sowie Verteidigung, in denen
deutsche Unternehmen von Großbritannien profitieren könnten.
«Interessant ist der Umstand, dass auf Dreijahressicht sieben Prozent
der Befragten größere Investitionsprojekte mit einem Volumen von mehr
als 250 Millionen Euro planen», sagte BCCG-Präsident Schmidt. Dies
habe bei der vorigen Befragung kein einziges Unternehmen in den
Büchern gehabt.