Parteien planen 100 000 Plakate für Europawahl Von Stefan Kruse, dpa

19.04.2024 05:30

Bei der Europawahl werden Weichen gestellt für die weitere
Entwicklung des Kontinents. Sie ist aber auch ein Stimmungstest für
die hiesige Politik. Im Wahlkampf steht daher eine Materialschlacht
an.

Berlin (dpa/bb) - Im anstehenden Wahlkampf für die Europawahl am 9.
Juni scheuen die Parteien in Berlin keine Kosten und Mühen: Ab diesem
Sonntag wollen allein die sechs größeren Parteien zusammen rund 100
000 Wahlplakate in der ganzen Stadt aufhängen oder aufstellen, wie
eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat. Der weitaus
größte Teil wird an Laternen befestigt. Hinzu kommen Hunderte
Großplakate zum Aufstellen im Quer- oder Hochformat, sogenannte
Wesselmänner.   

Laut Berliner Straßengesetz dürfen Parteien, Wählergemeinschaften und

Einzelbewerber frühestens sieben Wochen vor einer regulären Wahl
Plakate aufhängen oder aufstellen. Im Falle der Europawahl ist das
dieser Sonntag (21. April). Zahlreiche Freiwillige schwärmen schon
Punkt Mitternacht aus, um die besten Standorte für ihre Plakate zu
ergattern. An Laternenmasten werden diese gerne sehr hoch aufgehängt,
um Beschädigungen, die in Wahlkämpfen immer wieder Thema sind,
möglichst zu vermeiden.

CDU, SPD und Linke planen nach Angaben der Landesgeschäftsstellen mit
jeweils etwa 20 000 Plakaten, auf denen Kandidaten oder Slogans zu
sehen sind. Die Grünen mit 17 000 und die AfD mit 15 000 Plakaten
verdoppeln ihre Zahl im Vergleich zur Europawahl 2019. Die FDP, die
in Berlin seit dem Vorjahr nicht mehr im Landesparlament sitzt, gibt
sich mit etwa 6000 Wahlplakaten zufrieden. Das sind weniger als 2019.
 

Zu ihren Wahlkampfbudgets halten sich etliche Landesparteien bedeckt
und verweisen darauf, dass die Kosten zwischen ihrer Bundes-, Landes-
und Bezirksebene aufgeteilt werden. Der Wahlkampfetat des Berliner
Grünen-Landesverbands und der Kreisverbände beträgt 205 000 Euro. Die

AfD wendet etwa 120 000 Euro auf. Die Berliner Linke plane für
Veranstaltungen, Logistik und zusätzliches Wahlkampfmaterial etwa 30
000 Euro ein, grundsätzlich trage aber die Bundespartei die Kosten
für den Wahlkampf, sagte eine Sprecherin. 

Zur Orientierung: Eine Großtafel mit Auf- und Abbau und
gelegentlicher Umplakatierung kostet etwa 500 Euro, den Service
übernehmen oft externe Dienstleister für die Parteien. Kleinere
Plakate im A1- oder A0-Format schlagen inklusive Befestigungsmaterial
mit etwa 2 Euro beziehungsweise 4,60 Euro zu Buche.   

Warum setzen die Parteien in Zeiten der Digitalisierung im Wahlkampf
weiter auf klassische Plakate? «Plakate werden in einer vielfältigen,
kleinteiligen und individualisierten digitalen Welt eher wieder
wichtiger», meinte CDU-Landesgeschäftsführer Dirk Reitze. «Plakate

sind nach wie vor das am meisten wahrgenommene Medium im Wahlkampf,
daran hat auch die Digitalisierung nichts geändert», sagte
Grünen-Sprecher René Lutter.

«Erst mit der Sichtbarkeit im Stadtbild wird die anstehende Wahl für
viele Wahlberechtigten wahrnehmbar und erhöht damit auch die
Aufmerksamkeit für weitere - auch digitale - Werbemaßnahmen», sagte
SPD-Sprecher Ralf Höschele. Ähnlich sah das die
Linke-Landesvorsitzende Franziska Brychcy: «Viele Menschen sind nicht
den ganzen Tag im Internet unterwegs. Daher sind die klassischen
Plakate immer noch ein wichtiges Mittel, um Sichtbarkeit im
öffentlichen Raum zu erzeugen und unsere linken Kernthemen
niedrigschwellig bekannt zu machen.» Und AfD-Sprecher Ronald Gläser
sagte: «Wahlplakate sind unverzichtbar, gerade für diejenigen, die
sich nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen.»

Neben Plakaten und Online-Aktivitäten auf Social-Media-Kanälen oder
in Messenger-Diensten setzen die Parteien im Wahlkampf auf weitere
Instrumente. Dazu zählen Anzeigen in analogen oder digitalen Medien,
Veranstaltungen mit Kandidatinnen und Kandidaten oder Wahlkampfstände
auf den Straßen mit Infomaterial und kleinen Geschenken - beliebt
sind hier Gummibärchen, Luftballons oder Kugelschreiber. Großen Wert
legen die Parteien auch auf den sogenannten Haustürwahlkampf:
Politiker und Helfer versuchen dabei, die Menschen zu Hause
aufzusuchen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.