EU verhängt erstmals Sanktionen gegen israelische Siedler

19.04.2024 12:43

Gewalttaten radikaler israelischer Siedler gelten als ein Hindernis
für Bemühungen um eine langfristige Friedenslösung im
Nahost-Konflikt. Die EU setzt jetzt ein klares Zeichen.

Brüssel (dpa) - Die EU verhängt erstmals Sanktionen wegen der Gewalt
radikaler israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland.
Die Mitgliedstaaten beschlossen die Strafmaßnahmen am Freitag in
einem schriftlichen Verfahren, wie mehrere Diplomaten der Deutschen
Presse-Agentur bestätigten.

Die Sanktionen richten sich den Angaben zufolge gegen Personen und
Organisationen, die für Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland
verantwortlich sein sollen. Sie werden mithilfe des
EU-Sanktionsinstruments zur Ahndung von schweren
Menschenrechtsverstößen verhängt. Personen, die betroffen sind,
dürfen nicht mehr in die EU einreisen und keine Geschäfte mehr mit
EU-Bürgern machen. Außerdem müssen ihre in der EU vorhandenen Konten

und andere Vermögenswerte eingefroren werden.

Symbolisch bedeutender Schritt

Angriffe gegen Palästinenser werden wie der Siedlungsbau im
Westjordanland als eines der Hindernisse für Bemühungen um eine
langfristige Friedenslösung im Nahost-Konflikt gesehen - insbesondere
auch nach dem Hamas-Massaker in Israel vom 7. Oktober. Die EU hat die
Gewalttaten und den Siedlungsbau bereits wiederholt verurteilt - für
Strafmaßnahmen gab es aber bis heute nie den erforderlichen Konsens.
Die Sanktionsentscheidung gilt deswegen als ein Anzeichen für einen
Kurswechsel in der Israel-Politik der EU - auch wenn die
Strafmaßnahmen an sich für die Betroffenen vergleichsweise geringe
Auswirkungen haben.

Mit den Sanktionen folgt die EU dem Beispiel der USA. Diesen haben
bereits Strafmaßnahmen verhängt, die sich gegen extremistische
israelische Siedler richten. Die USA werfen den Betroffenen unter
anderem vor, sich im Westjordanland an Gewalt gegen palästinensische
Zivilisten beteiligt zu haben.

Sanktionen sollen Strafverfolgung initiieren

Die Namen der Betroffenen sollen in Kürze im EU-Amtsblatt
veröffentlicht werden. Nach Informationen der dpa handelt es sich im
ersten Schritt um vier Personen und zwei Organisationen. Im Idealfall
sollen die Sanktionen nach Angaben von Diplomaten dazu führen, dass
die israelische Justiz sich künftig engagierter um die Verfolgung von
Gewalt von israelischen Siedlern gegen palästinensische Dörfer und
Olivenhaine kümmert.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte die
Entwicklungen in dem Gebiet erst in der vergangenen Woche wieder als
höchst besorgniserregend bezeichnet. Im Westjordanland würden
Palästinenser ständig von Hunderten israelischen Siedlern
angegriffen, die oft vom Militär unterstützt würden, ließ er
mitteilen. Nach der Tötung eines 14-jährigen Israeli aus einer
Siedlerfamilie seien bei Racheakten vier Palästinenser getötet
worden, darunter ein Kind. Israel sei als Besatzungsmacht
verpflichtet, Palästinenser vor Siedlerattacken und rechtswidriger
Gewalt durch Sicherheitskräfte zu schützen, so Türk.

Ungarn verhindert lange Sanktionen

Die Sanktionen gegen Siedler hätten eigentlich bereits vor längerem
beschlossen werden sollen. Die ungarische Regierung, die in der EU
als besonders israelfreundlich gilt, signalisierte allerdings erst im
vergangenen Monat, dass sie ihnen nicht mehr im Weg steht. Teil der
Einigung war, dass es auch neue Strafmaßnahmen gegen bewaffnete
islamistische Gruppen gibt. Sie waren bereits in der vergangenen
Woche verhängt worden - insbesondere wegen des Einsatzes
«systematischer und weiträumiger sexueller und
geschlechtsspezifischer Gewalt».

Ein Grund für die angespannte Lage im Westjordanland ist, dass Israel
dort seit der Eroberung des Gebiets im Sechstagekrieg 1967
umstrittene Siedlungen ausbaut. Die Zahl der Siedler in dem Gebiet,
das zwischen dem israelischen Kernland und Jordanien liegt, ist
inzwischen auf etwa eine halbe Million gestiegen. Einschließlich
Ost-Jerusalems sind es sogar 700 000. Die Siedler leben inmitten von
rund drei Millionen Palästinensern.

Die Vereinten Nationen haben diese Siedlungen als großes Hindernis
für eine Friedensregelung eingestuft, weil sie kaum noch ein
zusammenhängendes Territorium für die Palästinenser bei einer
möglichen Zweistaatenlösung zulassen. Als ein weiterer Grund für die

angespannte Lage gelten Razzien der israelischen Armee in Städten des
Westjordanlands wegen Anschlägen von Palästinensern auf Israelis.