Höhere Ticketsteuer belastet Urlauber und Tourismus-Branche Von Friederike Marx und Christian Ebner, dpa

01.05.2024 06:30

Mit einer höheren Ticketsteuer will die Bundesregierung ab dem 1. Mai
Milliardenlöcher im Haushalt stopfen. Das bleibt nicht ohne Folgen
für Branche und Urlauber.

Frankfurt/Berlin (dpa) - Die Steuer auf Flugtickets von deutschen
Abflugorten steigt zum 1. Mai erneut. Das hat Folgen für
Urlauberinnen und Urlauber. Zugleich befürchten Reiseveranstalter und
Airlines Belastungen in Millionenhöhe und langfristige Probleme durch
die Entscheidung der Ampel-Koalition. Die Steueranhebung ist Teil des
Maßnahmenpakets, mit dem die Bundesregierung nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Haushalt stopfen will.

Werden Pauschalreisen und Flugtickets künftig teurer?

Wahrscheinlich, denn grundsätzlich müssen Wirtschaftsunternehmen wie
Airlines oder Reiseanbieter immer versuchen, zusätzliche Kosten an
ihre Kunden weiterzugeben. Steuern und Abgaben machen aber nur einen
Teil des Preises einer Pauschalreise aus. Zu Buche schlagen vor allem
die Kosten für den Einkauf von Hotelkontingenten und Flugkapazitäten.
Wie sich diese entwickeln hängt auch von der allgemeinen
Preisentwicklung im jeweiligen Urlaubsland ab. Bei den reinen
Flugtickets wirkt sich die Konkurrenzsituation aus, die auf der
jeweils gebuchten Strecke herrscht. Ist dort nur ein Anbieter
unterwegs, werden die höheren Steuern voraussichtlich im vollen
Umfang an die Kunden weitergegeben, was bei scharfer Konkurrenz nicht
so einfach wäre. 

Wie stark steigen die Steuersätze?

Die Erhöhung betrifft sämtliche Passagierflüge, die von deutschen
Flughäfen abheben. Vom 1. Mai an liegen die Steuersätze je nach
Endziel der Flugreise zwischen 15,53 und 70,83 Euro pro Ticket.
Bislang waren in drei Entfernungsklassen zwischen 12,48 Euro und
56,91 Euro fällig. Die Steigerung zu den erst 2020 kräftig erhöhten
Sätzen beträgt zwischen 22,5 und 24,5 Prozent. Bei Europaflügen
übertrifft der neue Steuersatz den historischen Tiefstand vom
Jahresbeginn 2019 um mehr als das Doppelte. In der EU erheben nur 9
von 27 Mitgliedsstaaten eine Ticketsteuer. Die deutsche Abgabe gehört
mit zu den höchsten. 

Welcher Steuersatz wird zu meinem Ziel fällig?

Die Steuersätze sind zwar grundsätzlich nach Entfernung gestaffelt,
die tatsächliche Entfernung zwischen Start und Ziel spielt aber keine
direkte Rolle. Stattdessen hat der Gesetzgeber in Anlagen zum
Luftverkehrssteuergesetz Länder aufgelistet, für die der jeweilige
Satz gilt. In der niedrigsten Klasse mit 15,53 Euro sind alle
europäischen Staaten enthalten einschließlich der Türkei und Russland

sowie Algerien. Hier sind typische Urlaubsflüge nach Mallorca ebenso
abgedeckt wie ein Geschäftsflug nach London. 39,34 Euro werden fällig
bei Flügen in viele afrikanische und asiatische Länder, die bis zu
6000 Kilometer entfernt sind. Typische Ziele sind hier beispielsweise
Dubai, Tel Aviv oder Addis Abeba. Für noch längere Flüge etwa nach
China oder in die USA beträgt die Ticketsteuer dann 70,83 Euro.

 Können Veranstalter und Airlines von ihren Kunden nachträglich die
Steuern nachfordern? 

Das entsprechende Steuergesetz ist erst Ende März in Kraft getreten,
also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits etliche Flugtickets und
Pauschalreisen für die Zeit nach dem 1. Mai verkauft waren, die nun
unter den erhöhten Steuersatz fallen. Erst ab dem 28. März durften
die Unternehmen die höheren Ticketsteuern in ihre Endpreise
einberechnen. Die irische Gesellschaft Ryanair hat dem Fachblatt
«fvw» zufolge betroffene Passagiere aufgefordert, die Tickets zu
stornieren oder die höheren Steuern nachzuzahlen. Ob der Verweis auf
die AGB rechtmäßig ist, ist laut Verbraucherschützern fraglich. 

Bei Flugtickets sieht der Bundesverband der Deutschen
Luftverkehrswirtschaft (BDL) dennoch keine rechtliche Grundlage für
Nachforderungen. Entsprechend hat zum Beispiel die Lufthansa bei
frühzeitig verkauften Tickets die erhöhte Steuer selbst getragen, wie
eine Sprecherin versichert. Eine Summe wird nicht genannt. 

Anders sieht die Rechtslage für Reiseveranstalter aus: Sie dürfen
unter bestimmten Bedingungen die nachträglich erhöhten Kosten an ihre
Touristen weitergeben. «Der Vertrag muss das vorsehen und zugleich
einen Hinweis darauf enthalten, dass auch umgekehrt der Reisende eine
Senkung des Reisepreises verlangen kann, wenn beispielsweise der
Kerosinpreis sinkt», erläutert Felix Methmann vom Verbraucherzentrale
Bundesverband (vzbv). Erhöhungen nach Vertragsabschluss seien unter
diesen Voraussetzungen möglich bei höheren Treibstoffkosten, Erhöhung

von Steuern und sonstigen Abgaben für vereinbarte Reiseleistungen
oder Änderung der für die Pauschalreise geltenden Wechselkurse. Der
Veranstalter müsse die Berechnung der Preiserhöhung offenlegen und
die Urlauber spätestens 20 Tage vor Reisebeginn darüber informieren.
Veranstalter wie Branchenprimus Tui und DER Touristik haben
rückwirkende Preiserhöhungen ausgeschlossen.

Haben die Veranstalter ihre Kunden zur Kasse gebeten?

Die Veranstalter haben die Mehrkosten selbst getragen, sagt der
Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. «Die
sehr kurzfristige Erhöhung der Ticketsteuer bereits zum 1. Mai und
damit noch vor Beginn der Hauptreisezeit führt nach unseren
Berechnungen zu einer Mehrbelastung bei den Reiseveranstaltern von
rund 21 Millionen Euro», sagt Fiebig. «Diese zusätzlichen Kosten
können nicht auf die Reisenden umgelegt werden, da eine nachträgliche
Erhöhung der Reisepreise bei Pauschalreisen de facto nicht möglich
ist», meint er mit Blick auf die damit verbundenen Bedingungen. 

Welche langfristigen Folgen befürchten die Touristiker? 

Fiebig kritisiert, dass Reisen durch Entscheidungen der Politik immer
teurer werde. So könnten ab kommendem Jahr beispielsweise die
Luftsicherheitsgebühren um 50 Prozent angehoben werden. «Der Urlaub
musste durch Inflation und gestiegene Energiekosten ohnehin schon
Preissteigerungen hinnehmen und zusätzlich verteuern auch die
politischen Entscheidungsträger das Reisen immer weiter.»

Wie viel bringt die Steuererhöhung dem Staat?

Die 2011 von der schwarz-gelben Regierung eingeführte Ticketsteuer
brachte im Jahr 2022 knapp 1,2 Milliarden Euro Einnahmen für den
Staat ein. In diesem Jahr sollen durch die höhere Ticketsteuer rund
400 Millionen Euro mehr Steuern in die Staatskasse fließen. Für die
Folgejahre rechnet die Regierung mit Mehreinnahmen von 580 Millionen
Euro.

Welche längerfristigen Folgen drohen im Luftverkehr?

In den vergangenen Jahren wurde nicht nur die Luftverkehrsteuer
mehrfach erhöht. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Passagier-
und Gepäckkontrollen, für die Leistungen der Fluglotsen auf der
Strecke wie beim Starten und Landen und für die Abfertigung an den
Flughäfen. Beim Start eines Mittelstreckenjets vom Typ Airbus A320
werden an deutschen Flughäfen rund 4000 Euro staatliche Abgaben
fällig, klagt die Lufthansa in ihrem jüngsten Politikbrief. Der
gleiche Start in Madrid oder Barcelona werde hingegen nur mit 600
Euro belastet. 

Dass Deutschland ein teures Pflaster für Passagierflüge geworden ist,
hat den Branchenverbänden zufolge auch langfristige Auswirkungen.
Während das Sitzplatzangebot hierzulande erst rund 80 Prozent des
Vor-Corona-Niveaus erreicht, wird in den meisten anderen europäischen
Ländern längst wieder so viel geflogen wie vor der Pandemie. 

Billiggesellschaften wie Ryanair, Easyjet oder Wizz Air setzen ihre
Flugzeuge in Märkten mit geringeren Eingangskosten ein, weil sie dort
einfacher ihre Gewinnschwelle erreichen. Ihr Angebot von Flügen mit
billigen Tickets wächst in Italien, Spanien oder Polen, während es
für die Konsumenten in Deutschland schon deutlich geschrumpft ist.
Eine Umkehr könne es nur geben, wenn die Kosten an den deutschen
Flughäfen sinken, hat Ryanairs Marketing-Chef Dara Brady erst
kürzlich wieder erklärt.