«Gasputin»: Wladimir Putin zieht auch im Gasstreit die Fäden Von Wolfgang Jung, dpa

09.01.2009 16:30

Moskau (dpa) - Als Worte nicht mehr halfen, tippte sich Russlands
Regierungschef Wladimir Putin demonstrativ an die Stirn. Moskau werde
sein Gas doch nicht an die Ukraine verschenken, schimpfte der frühere
Kremlchef im ausführlichen Gespräch mit europäischen Journalisten.
«Hochgradig kriminell» sei die Führung in Kiew, zürnte Putin und
wedelte erregt mit Papieren. «Hier sind die Verträge, die die Ukraine
nicht einhält.» Auch die Westpresse bekam bei der eilig einberufenen
Zusammenkunft in Putins Residenz Nowo-Ogarjowo vor den Toren Moskaus
ihr Fett weg. «Wie so oft» würden die meisten Medien im aktuellen
Konflikt fälschlicherweise Russland die Schuld geben, kritisierte
Putin barsch. Kritiker verunglimpfen den ehemaligen Geheimdienstchef
in Anspielung an den zwielichtigen Wunderheiler und Zarenberater
Rasputin nicht erst seit dem aktuellen Streit als «Gasputin».

Nicht nur im Konflikt um den Gas-Transit nach Westeuropa zeigt der
am 7. Oktober 1952 in Leningrad (heute St. Petersburg) geborene
Putin, dass er auch nach dem Abschied aus dem Kreml die Fäden zieht.
Der oft als «nationaler Führer» bezeichnete Putin liebt kontroverse
Auftritte wie bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2007, bei der er
den Westen mit aggressiver Rhetorik schockte. Bei der
Verteidigungspolitik versteht der leidenschaftliche Kampfsportler
so wenig Spaß wie in Fragen der internationalen Energieversorgung.
Hierbei gilt vor allem der Gasmonopolist Gazprom, dessen Politik
Putin erheblich steuert, als zentrales Instrument der Staatsmacht.

Es sei schwer zu sagen, ob Gazprom von Putin abhängig sei oder
Putin von Gazprom, meint der russische Journalist Waleri Panjuschkin.
Er ist Mit-Autor des 2008 auch in Deutschland erschienenen Buchs
«Gazprom - Das Geschäft mit der Macht», einem «Who is Who?» der
hochpolitisierten Branche. Die Umschlagseite des Buches ziert eine
Zeichnung von Putin, der lässig am Gashahn dreht. Der 56-Jährige habe
von allen Politikern Russlands am meisten Einfluss auf den Konzern,
meint Panjuschkin. Schließlich habe Putin sowohl den jetzigen
Gazprom-Chef Alexej Miller ernannt als auch den heutigen Präsidenten
Dmitri Medwedew seinerzeit zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates
gemacht.

Während Medwedew den Gasstreit vom Schwarzmeer-Kurort Sotschi aus
verfolgte, telefonierte Putin zur Lösung der Krise mit
Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel
Barroso. Vehement weist der russische Regierungschef zurück, die in
die NATO strebende ukrainische Regierung mit Gazprom erpressen zu
wollen. Kreml-Kritiker wie Ex-Vize-Energieminister Wladimir Milow
behaupten das Gegenteil. Wenn es um wirtschaftliche Vorteile und
politische Ziele gehe, sei das «Putinsche Russland» bereit, Nachbarn
in die Knie zu zwingen, sagte Milow dem Rundfunksender «Echo Moskwy».
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