Waidhaus und die Pipeline - Station verdichtet wieder russisches Gas Von Ulf Vogler, dpa

23.01.2009 11:33

Waidhaus (dpa) - Zwei Wochen lang blickte die Republik gespannt
auf das kleine Waidhaus. In der 2400-Seelen-Gemeinde an der
bayerisch-tschechischen Grenze kommen insgesamt drei Gas-Pipelines
an, die normalerweise den kostbaren Rohstoff aus dem fernen Sibirien
in die Bundesrepublik transportieren. Doch während des jüngsten
Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine erreichte die Gemeinde
nur noch ein kleiner Teil des üblicherweise transportierten Gases.
Mittlerweile sei es aber wieder die normale Menge, berichtete der
technische Leiter Thomas Penzl. Die Anlagen liefen nun wieder ohne
Einschränkungen.

Waidhaus ist nicht nur für die Gasversorgung Deutschlands von
Bedeutung, auch mehrere andere westeuropäische Länder beziehen über
diese Schnittstelle russisches Erdgas. Die Gasstation in der
Oberpfalz bekommt in 90 bis 120 Zentimeter dicken Rohren rund 80
Prozent des Erdgases, das Deutschlands größter Importeur E.ON Ruhrgas
aus Russland bezieht. Der russische Gasmonopolist Gazprom liefert
insgesamt mehr als ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Gases.

Einmal in Waidhaus angekommen, muss das Gas zunächst verdichtet
werden, das erhöht seinen Druck. Schließlich wird es in ganz
Süddeutschland verteilt und beispielsweise auch nach Frankreich
weitertransportiert. Auf den langen Wegen zu den Verbrauchern würde
das Gas sonst immer mehr an Geschwindigkeit verlieren. Penzl
vergleicht dies mit einem Gartenschlauch: «Je länger der Schlauch
wird, desto geringer wird der Druck.» So sei es auch beim Erdgas. «In
der Pipeline wird das Gas gebremst, wir geben ihm wieder neuen
Schwung», berichtet der Chef der E.ON-Station.

Insgesamt acht Verdichteranlagen sind derzeit in Waidhaus in
Betrieb, überwacht und ferngesteuert von der 600 Kilometer entfernten
E.ON-Ruhrgas-Zentrale in Essen. Derzeit wird eine weitere Anlage
gebaut, so dass in den nächsten Monaten die Kapazität der Waidhauser
Station noch einmal steigen wird. Als Motor für die modernen
Verdichter dienen dabei Flugzeugturbinen, die sonst große
Passagiermaschinen in die Luft befördern.

Wenn das Gas Bayern erreicht, hat es einen Druck von 50 Bar, beim
Verlassen der Anlagen geht es mit bis zu 84 Bar gen Westen. Bevor der
Rohstoff die Bundesrepublik erreicht, hat das Gas bereits einen mehr
als 6000 Kilometer langen Weg hinter sich. «Es ist auf dieser Strecke
etwa zehn Tage unterwegs», erläutert Penzl. Pro Stunde können in
Waidhaus maximal 3,8 Millionen Kubikmeter Gas verdichtet werden -
damit könnten mehr als 1200 Haushalte ein Jahr lang mit Energie
versorgt werden.

Verdichtet wird aber nicht nur Gas, das über die Ukraine kommt.
Denn ein Teil des Erdgases kommt über eine nördliche Leitung, die die
Ukraine nicht durchquert und zunächst bei Frankfurt (Oder) in
Deutschland ankommt. An diesen Transportweg ist Waidhaus über eine
Pipeline, die über den Raum Dresden und dann über Tschechien
verläuft, ebenfalls angeschlossen. «Wir haben daher in den ganzen 14
Tagen trotzdem Gas transportiert, aber in geringeren Mengen», erklärt
Penzl.

Bereits seit 1973 wird in Waidhaus russisches Gas umgeschlagen. Zu
Sowjet-Zeiten gab es trotz des Kalten Krieges mit all seinen
politischen Spannungen nie Probleme am damaligen Eisernen Vorhang.
Erst vor drei Jahren blieb beim ersten Gasstreit zwischen Russland
und der Ukraine ein Teil der vereinbarten Liefermenge aus, allerdings
nur für ein paar Tage. Ungeachtet des mittlerweile beigelegten
Disputs soll Waidhaus auf noch für sehr lange Zeit Umschlagplatz für
russisches Gas bleiben. Die Verträge zwischen E.ON und Gazprom
reichen bis ins Jahr 2035.
dpa rv yyby a3 rk/pi