Bürger-Programm für Europa: Transparenz und ein Feiertag Von Fabian Wahl, dpa

26.04.2009 12:58

Bonn (dpa) - Heinz Lohaus ist nicht zufrieden mit der
Europapolitik in Brüssel. Nationale Interessen hätten meistens
Vorrang, wichtige Punkte würden ausgeklammert, klagt der pensionierte
Gymnasiallehrer aus Düsseldorf. Und statt klare Aussagen bekomme der
Wähler nur schwammige Floskeln zu hören. Doch noch hat Lohaus nicht
resigniert. Gemeinsam mit 350 anderen Teilnehmern eines Bürgerforums
hat er seinen Unmut und neue Ideen für ein besseres Europa zu Papier
gebracht. Am Sonntag wurde das Programm im ehemaligen Deutschen
Bundestag in Bonn verabschiedet. Nun wird es deutschen und
europäischen Politikern vorgelegt.

Kostenlose Bildung, ein stärkeres Parlament und ein einheitliches
Steuersystem für die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ­
das sind einige der 16 Forderungen. Dazu kommen Begegnungsstätten,
die sich mit dem Thema Europa beschäftigen, und ein Europa-Feiertag.
Ein Mal im Jahr soll europaweit gefeiert werden, um das
Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, wie es im Programm heißt.
«Wir haben die Hoffnung, dass unser Konzept Niederschlag findet»,
sagt Lohaus. Sicher ist er sich allerdings nicht.

Die Initiative zu dem Bürgerforum ging von der Heinz Nixdorf
Stiftung und der Bertelsmann Stiftung aus. Vor etwa sechs Monaten
hatten sie die Teilnehmer deutschlandweit und repräsentativ
ausgesucht. Sie bildeten acht verschiedene Ausschüsse wie «Soziales
Europa» oder «Europas Ressourcen» und arbeiteten an Themen von
Gerechtigkeit bis Energie. Studenten diskutierten mit Rentnern,
Hausfrauen mit Managern.

«Europa ist ein Projekt der Eliten geworden», sagt Robert Fehrkamp
von der Bertelsmann Stiftung und Projektleiter des Bürgerforums. «Mit
dem Konzept wollen wir das Gespräch zwischen Bürgern und Politikern
verbessern.» Doch der Graben ist groß: Bei der letzten Europawahl
2004 gab nicht mal jeder Zweite in Deutschland seine Stimme ab. In
sechs Wochen steht die nächste Wahl an.

Da muss sich was ändern, denkt sich Angelina Cerqueira Hüttermann,
die brasilianischer Abstammung ist und in Dinslaken wohnt. «Niemand
kennt sich so richtig mit der Europäischen Union aus», sagt die 43-
Jährige, die im Ausschuss «Demokratie in Europa» mitwirkte. «Keiner
weiß, was die einzelnen Institutionen überhaupt machen und wie der
ganze Prozess abläuft.» Deshalb fordert ihr Ausschuss vor allem mehr
Transparenz. Europa müsse den Bürgern näher gebracht werden. In
Schulen könnten Politiker werben oder selbst im Kindergarten schon
das Interesse für Europa wecken, sagt Hüttermann.

Lohaus unterrichtete jahrelang Politik und Geschichte an einem
Gymnasium. Eigentlich sah er sich als «überzeugter Europäer». Doch
je
mehr er sich beim Bürgerforum mit der Thematik beschäftigte, desto
enttäuschter wurde er von der Politik. «Mittlerweile bin ich mir
unsicher, ob ich überhaupt zur Europawahl gehen soll.» Das wäre das
erste Mal für den Mann, der schon jenseits der 70 ist.

(Internet: www.buergerforum2009.de)

[Alter Bundestag]: Platz der Vereinten Nationen, Bonn
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