In Scheibenhard stößt Europa an Grenzen Von Marc Strehler, dpa

03.06.2009 10:37

Scheibenhardt (dpa) - Wer an der deutsch-französischen Grenze im
südpfälzischen Scheibenhardt steht, staunt erst einmal. Ein Auto nach
dem anderen rollt aus Frankreich an und parkt auf deutscher Seite vor
einem Bäcker. Dort kaufen die Franzosen ausgerechnet Baguette - das
französischste aller Brote. Da geht jedem Europa-Freund das Herz auf.
Ein Blick hinter die Kulissen des geteilten Grenzortes zeigt aber,
dass die Zusammenarbeit nicht ganz so einfach ist.

Das Flüsschen Lauter markiert die Grenze zwischen dem elsässischen
Scheibenhard mit seinen 850 Einwohnern auf der einen Seite,
Scheibenhardt mit 720 Einwohnern auf der anderen Seite. Die beiden
Bürgermeister klagen vor allem über hohe bürokratische Hürden, die
eine Zusammenarbeit erschweren. «Wir kommen über das Symbolische
nicht hinaus», sagt der Rathauschef von Scheibenhard, Francis Joerger.

Ideen haben Joerger (60) und seine deutscher Amtskollege Edwin
Diesel (51) genug, was sich machen ließe: eine gemeinsame Schule,
eine gemeinsame Feuerwehr und so weiter. Die Fakten sehen anders aus:
In Scheibenhard gibt es eine Schule, die Kinder aus Scheibenhardt
fahren dennoch von der ersten Klasse an mit dem Bus in eine deutsche
Schule, statt über die Brücke zu laufen. Der elsässische Ort hat
dafür keine eigene Feuerwehr. Joerger klagt, dass er viel Geld für
eine Feuerwehr aus einem französischen Nachbarort zahlen muss -
«dabei ist unsere Feuerwehr schneller vor Ort», sagt sein Amtskollege
Diesel.

Dass sich viele eigentlich sinnvolle Kooperationen nicht
verwirklichen lassen, schieben die Bürgermeister auf Bürokratie und
Gesetze auf beiden Seiten der Grenze, die alles so schwer machen. Es
gibt Pläne, auf deutscher Seite eine deutsch-französische
Jugendherberge zu errichten - eine ganze Reihe von Behörden ist
eingeschaltet, es geht etwa um unterschiedliche Förderregelungen.
Einen Investor gibt es, aber die Miete wäre letztlich zu hoch für die
Betreiber der Einrichtung. Nun sollen weitere Investoren gefunden
werden.

Die Kontakte zwischen den Menschen dies- und jenseits der Lauter
halten sich in Grenzen. Die Franzosen fahren nach Deutschland in den
Discounter zum Einkaufen, die Deutschen tanken auf französischer
Seite billig und decken sich mit Mineralwasser ein. «Das Europa des
Konsums haben wir schon erreicht», sagt Joerger trocken. Auf
deutscher Seite spricht kaum jemand französisch, Bürgermeister Diesel
räumt ein, dass er da keine Ausnahme ist. Umgekehrt sieht es nicht
viel besser aus. Der Ortsdialekt, das «Schaiwert», verschwindet
zunehmend. «In zehn Jahren unterhalten wir uns hier auf Englisch»,
sagt Diesel.

(Internet: www.scheibenhardt.de, www.scheibenhard.fr)
[Bäckerei]: Hauptstraße, Scheibenhardt
[Rathaus]: 32 rue des Tirailleurs Tunisiens, Scheibenhard
dpa mc yyrs a3 as