Gurken dürfen wieder krumm sein Von Catherine Simon, dpa

30.06.2009 10:20

   Brüssel (dpa) - Endlich dürfen Gurken wieder so krumm sein wie
sie
wollen. Von diesem Mittwoch an ist eines der berühmtesten Symbole für
die Brüsseler Regelungswut Geschichte: der berüchtigte Krümmungsgrad
der Gurke. Bisher durfte das grüne Gemüse auf zehn Zentimeter Länge
um höchstens zehn Millimeter geneigt sein. Die EU-Bürokraten
verteidigten sich stets, dies sei ein Wunsch des Handels gewesen, da
genormte Gurken besser in eine Standardkiste passen. Auch bei 25
anderen Obst- und Gemüsesorten ist künftig wieder Individualität
angesagt.

«Dies bedeutet einen Neuanfang für die krumme Gurke und die
knorrige Karotte», sagte EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel,
als im vergangenen November die Normen gegen «unförmiges» Obst und
Gemüse abgeschafft wurden. Ziel der EU war, weniger Regeln zu haben
und Bürokratie abzubauen. Außerdem sollte gut genießbares Obst und
Gemüse nicht mehr vernichtet werden, nur weil es nicht der Norm
entsprach. «Es ist sinnlos, einwandfreie Erzeugnisse wegzuwerfen, nur
weil sie die «falsche» Form haben», schimpfte Fischer Boel. Auch
Deutschland stimmte damals für die Abschaffung der Norm.

Doch was die einen als Durchbruch empfanden, stieß bei anderen auf
herbe Kritik. Der Deutsche Bauernverband warnte vor «Wühltischen» im
Supermarkt und nannte die Brüsseler Entscheidung «reine
Symbolpolitik». Qualitäts- und Güteeigenschaften seien nicht mehr
klar erkennbar und das staatliche Kontrollsystem werde ausgehöhlt.
Auch die wichtigen Produzentenländer wie Frankreich, Spanien, Polen
oder Belgien waren gegen die Vereinfachung.

Die EU-Kommission erließ die Gurkenverordnung (1677/88/EWG) im
Jahr 1988 auf Wunsch des Handels. Sie setzte Qualitätsnormen für
Gurken fest und schrieb Krümmungsgrade für vier Handelsklassen vor.
Edle Gurken der Extra-Klasse mussten demnach «gut geformt und
praktisch gerade» sein - maximale Krümmung: zehn Millimeter auf zehn
Zentimetern Gurkenlänge. Die Händler wollten die Norm, weil sich
gerade Gurken platzsparender verpacken lassen. In eine
standardisierte Gemüsekisten passt immer die gleiche Menge an
Standard-Gurken.

   Aber auch Mindestgewicht, -größe und andere Merkmale von
Gemüsesorten waren bislang in der EU genau vorgeschrieben. Für Lauch
der ersten Güteklasse etwa galt: «Mindestens ein Drittel der
Gesamtlänge oder die Hälfte des umhüllten Teils muss von weißer bis
grünlich-weißer Färbung sein. Jedoch muss bei Frühporree/Frühlauc
h
der weiße oder grünlich-weiße Teil mindestens ein Viertel der
Gesamtlänge oder ein Drittel des umhüllten Teils ausmachen.»

   Von nun an muss Lauch vor allem wieder schmecken. Auch bei
Rosenkohl und Melonen, Pilzen und Knoblauch, Auberginen, Spargel und
Spinat ist nun wieder fast alles erlaubt. Für manche Obst- und
Gemüsesorten dagegen bleibt weiter alles beim alten. Äpfel,
Zitrusfrüchte, Kiwis, Salate, Pfirsiche und Nektarinen, Birnen,
Erdbeeren, Paprika, Trauben und Tomaten unterliegen weiterhin
bestimmten Standards. Sie machen drei Viertel des EU-Handelswerts
aus. Auch Früchte fern der Standard-Form und -Größe dürfen künfti
g
verkauft werden. Sie müssen dann aber entsprechend gekennzeichnet
sein - zum Beispiel als «zur Verarbeitung bestimmtes Erzeugnis». Ganz
ohne Regeln geht es also doch nicht.
dpa cat xx a3 aj