«Eurokraten» fordern mehr Sicherheit in Brüssel Von Simone Andrea Mayer, dpa

03.01.2010 01:30

Brüssel (dpa) - Es dauerte nur Sekunden, da waren Handtasche,
Blackberry und iPhone weg. Dann schlugen die Räuber auch noch zu.
Opfer dieses brutalen Überfalls in Brüssel war vor wenigen Wochen die
CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler aus München. Der Tatort liegt
unweit des gut bewachten Berlaymont-Gebäudes - das ist der Hauptsitz
der EU-Kommission.

Die Klagen über Raubüberfälle auf EU-Mitarbeiter, Diplomaten und
Europaabgeordnete in der Hauptstadt Belgiens mehren sich. Nun
bekannte der Präsident des EU-Parlaments, Jerzy Buzek, gegenüber dem
Schweizer Fernsehsender SF: «Es gibt einige Probleme.» Und Brüssels
Bürgermeister Freddy Thielemans kündigte an, die Polizeipräsenz
speziell im EU-Viertel verstärken zu wollen. Was ist also passiert?

Die Debatte um die Sicherheit der Bediensteten in den
EU-Institutionen in Belgiens Hauptstadt, auch Eurokraten genannt, ist
nicht neu. Seit Jahren wird in Brüssel statistisch gesehen öfter
eingebrochen als in jeder anderen Hauptstadt Europas. Die alten
Häuschen - viele davon im Jugendstil - sind hübsch anzusehen,
besonders sicher sind sie mit Fenstern auf Bodenhöhe aber nicht. Laut
den aktuellen Zahlen von Eurostat, des Statistischen Amtes der EU,
kamen 2004 auf 1000 Einwohner 11,2 Einbrüche. In Berlin war die
Gefahr mit statistisch 1,8 Einbrüchen sechsmal geringer. In London
waren es 8,5, in Paris 5,5 Einbrüche.

Allerdings: Statistiken zu Raubüberfällen, die ein ähnliches
Sicherheitsrisiko auf Brüssels Straßen objektiv belegen könnten, sind

bei Eurostat nicht zu haben. Und die Polizei äußert sich nicht zum
Eindruck steigender Übergriffe. Lediglich ein Brüsseler Staatsanwalt
legt vage dar, dass die Zahl der Raubüberfälle 2009 sehr hoch gewesen
sei. Außerdem sei die Brutalität der Räuber «unverhältnismäßi
g».

Und so schüren vor allem zahlreiche Geschichten über ausgeraubte
Eurokraten oder Parlamentarier Angst im Europaviertel im Herzen
Brüssels. Dort ansässige Unternehmen und Behörden geben inzwischen
Warnungen an ihre Mitarbeiter heraus.

So schreibt etwa die österreichische Botschaft in Belgien an ihre
Dienststellen: «Generell gilt die Sicherheitslage in Brüssel als
schlecht. (...) Dabei scheint das Aggressionspotenzial im Vergleich
zu anderen Städten außergewöhnlich hoch.» Die Bremer Landesvertretu
ng
bei der EU berichtet von einer «neuen Qualität der
Straßenkriminalität».

Es sind verschiedene Welten und Menschen unterschiedlicher
Herkunft, die in Brüssel aufeinanderprallen. Nur knapp eine Million
Einwohner hat die Metropole. Rund 40 Prozent davon sind Ausländer,
und dazu zählt der wohlhabende Lobbyist ebenso wie die arme
Großfamilie. In weniger begüterten Stadtteilen löst die soziale Kluft

Konflikte zwischen der Polizei und Anwohnern aus. Im
Einwandererviertel Molenbeek standen sich bei Krawallen im September
etwa 200 Menschen gegenüber.

Im Europaviertel lockt der Reichtum trotz hoher
Sicherheitsvorkehrungen in den Gebäuden Kriminelle an. Relativ gut
verdienende EU-Mitarbeiter, Politiker, Unternehmensvertreter und
Lobbyisten tragen mitunter Taschen mit Laptops, gefüllte
Portemonnaies und teure Handys über die Straßen rund um die
Metrostation Schuman. Die Opfer werden auch am helllichten Tag
überrascht und ausgeraubt.

   Die Stadtverwaltung zeigt sich bereit, das Viertel besser zu
schützen - und durch Polizeipräsenz die Angst zu mindern. «Brüssel

hat ein psychologisches Problem», sagte Bürgermeister Thielemans
ebenfalls dem Sender SF. «Sobald es so ein Problem gibt, muss man
reagieren.» Er will nun eine eigene Dienststelle der Polizei im EU-
Parlament einrichten.

Allerdings müsse die EU diese Aufstockung mitfinanzieren, fordert
das Stadtoberhaupt. Denn bislang würden die nötigen Polizisten
ausschließlich durch die belgischen Bürger finanziert. «Könnte man

nicht eine Lösung finden, die gleichzeitig die Situation verbessert
und auch uns entgegenkommt?», schlägt Thielemans vor.
dpa may dj/cb xx a3 k6 be