Der deutsch-französische Motor nimmt neuen Anlauf Von Frank Rafalski und Christoph Sator, dpa

14.06.2010 21:19

Zwischen Deutschland und Frankreich war die Stimmung angespannt.
Am Ende fanden Merkel und Sarkozy in Berlin wenigstens einen
Minimalkonsens für die Grundzüge der künftigen EU-Wirtschaftspolitik.


   Berlin (dpa) - Die Begrüßung war wieder wie bei alten Freunden
.
Hände auf die Schulter. Angedeutetes Küsschen auf die Wange. Das
Ganze auf dem roten Teppich vor dem Kanzleramt. Angela Merkel und
Nicolas Sarkozy wollten den wochenlangen Spekulationen über ihre
zunehmende Entfremdung auch äußerlich ein Zeichen der Gemeinsamkeit
setzen.

   Wenige Tage vor dem EU-Gipfel von Brüssel und dem anschließend
en
G20-Treffen von Toronto fanden die Kanzlerin und der französische
Staatschef in Berlin einen Kompromiss, der ein geschlossenes
Auftreten der Führungsländer in der EU sicherstellen soll. Beide
werden nun in der EU für eine Wirtschaftsregierung aller 27
Mitglieder werben, wie es Merkel ursprünglich auch wollte.

   Bei akutem Handlungsbedarf werden aber auch nur die 16 Chefs der
Euro-Länder zusammenkommen, um Vorgaben zu vereinbaren, wie das
Sarkozy als ständige Einrichtung wollte. Ein eigenes Sekretariat für
diese Koordinierungsaufgabe konnte der Präsident nicht durchsetzen.
Merkel ist gegen eine Art Direktorat der Euro-Länder, weil sie darin
einen Spaltpilz für die gesamte EU befürchtet. Sarkozy nahm es
gelassen hin. «Das werden wir ganz pragmatisch lösen und keine
theologischen Debatten mehr führen, die nichts bringen», machte der
Gast aus Paris auf Entspannung.

   Auch bei der Verschärfung des Euro-Stabilitätspakts fanden Mer
kel
und Sarkozy eine Übereinkunft. Notorischen Defizitsündern wie etwa
Griechenland soll künftig das Stimmrecht entzogen werden können. Ob
dafür die EU-Verträge geändert werden müssen, wie Merkel das will u
nd
Sarkozy nicht, soll ebenfalls pragmatisch entschieden werden. Geht es
ohne Vertragsänderungen - umso besser.

   Wie oft bei Sarkozy-Auftritten mit Merkel fand der quirlige
Präsident auch diesmal wieder viele Worte, um die Kanzlerin -
zumindest atmosphärisch - wieder einzufangen. «Jeder hat einen
Schritt auf den anderen zugetan», befand er. Und: «Frau Merkel hat es
gerne, wenn man sie überzeugt ... wie ich ja auch.»

   Die Kanzlerin revanchierte sich mit einer kleinen Bosheit zum
Thema Sparen. «Ich bin überzeugt, dass wir einen richtigen Schritt
gemacht haben und Frankreich noch wichtige Schritte vor sich hat
...», stellte Merkel ihre Sparpolitik als Vorbild dar. Sarkozy will
sich von den Deutschen eigentlich nicht vorschreiben lassen, wie und
wo er den Rotstift ansetzen soll.

   Pünktlich zum Treffen mit Merkel war schon bekanntgeworden, dass

der französische Staat seine Ausgaben bis 2013 um 45 Milliarden Euro
kürzen will. Weitere 5 Milliarden Euro sollen Einschnitte bei
Steuervergünstigungen bringen. Und 35 Milliarden Euro sollen durch
zusätzliche Steuereinnahmen kommen, wenn die Konjunktur wieder
anspringt. So soll das Haushaltsdefizit von derzeit 8 auf 3 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden. Zum Vergleich: In
Deutschland lag es im vergangenen Jahr bei 3,2 Prozent.

   Am Ende waren Sarkozy und Merkel zufrieden. «Wir haben ein
weiteres Mal gezeigt, dass Deutschland und Frankreich eine gemeinsame
Vision teilen», schwärmte der Präsident. Und drückte gleich auch no
ch
seine Hochachtung vor den deutschen Fußball-Künsten aus.

   Der erste Auftritt der deutschen Mannschaft bei der WM in
Südafrika mit dem 4:0 gegen Australien sei ja nun ein «beachtlicher
Erfolg» und «ziemlich spektakulär» gewesen. Merkel setzte ihr breit
es
Lächeln auf. Zu einem Kommentar zur französischen WM-Torflaute im
0:0-Spiel gegen Uruguay ließen sich beide nicht hinreißen.

# dpa-Notizblock

## Berichtigung
- Im letzten Satz wurde das Ergebis des WM-Spiels zwischen Frankreich
und Uruguay korrigiert: 0:0 (nicht: «... zur französische WM-
Auftaktniederlage ...».)

## Ort
- [Bundeskanzleramt](Willy-Brandt-Straße 1, 11011 Berlin)