Stoibers zweite «Amtszeit» als Entbürokratisierer Von Michael Brehme, dpa

02.09.2010 01:30

Zweieinhalb Jahre ist Edmund Stoiber bei der EU in Brüssel schon im
Kampf gegen die Bürokratie tätig. Zu Beginn seiner letzten
«Amtsperiode» hat der Ex-CSU-Chef Lob und mehr Kompetenzen bekommen.

   Brüssel (dpa) - Stolz ist Edmund Stoiber schon ein bisschen üb
er
das Zwischenzeugnis, das José Manuel Barroso ihm da ausgestellt hat.
Einen exzellenten Job attestierte der EU-Kommissionspräsident dem
langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten auf dem Brüsseler
Parkett. Und die gut gemeinten Schulterklopfer kamen beim 68-jährigen
CSU-Mann auch bestens an. «Eine Anerkennung» sei das, sagt Stoiber,
und eine Motivationsspritze für die Zukunft.

   Zum Monatswechsel ist Stoiber in seine zweite «Amtszeit» als
Anti-Bürokratiebeauftragter der Europäischen Union gestartet. Die
Ideen der 2007 bestellten Gruppe hätten schon einiges gebracht, sagt
er. Unternehmen in der EU würden um bis zu 24 Milliarden Euro
entlastet, da der bürokratische Aufwand kleiner geworden sei. Und die
Ergebnisse haben zumindest auch für eines gesorgt: Stoibers
Etablierung in Brüssel. «Es ist mehr Arbeit geworden als mancher
Kritiker anfangs erwartet hat», meint er.

   «Inzwischen ist die Skepsis in der EU gegenüber unserer Gruppe

weg. Jetzt ist es so, dass wir schon im Vorhinein unaufgefordert über
neue Vorschläge informiert werden, um sie überprüfen zu können»,
sagt
Stoiber. Nach ihrer Bewährungsphase soll die «hochrangige Gruppe
unabhängiger Interessensträger im Bereich Verwaltungslasten» nun bei

allen Verwaltungsreformen eingeschaltet und gefragt werden.

   Der christsoziale Machtmensch aus Bayern ist zu einem Politiker
geworden, der europäisch denkt. «Oft wird Europa für Dinge in
Verantwortung gezogen, die es gar nicht zu verantworten hat», meint
Stoiber. Laut Umfragen verbindet ein Fünftel aller Bürger zuerst
eines mit der EU: die Bürokratie. Das betrübt Stoiber - der einst
noch heftig gegen den Euro wetterte. Nach 14 Jahren als bayerischer
Ministerpräsident verlief der Umstieg auch deswegen keineswegs glatt.

   Gegenwind, Spott und Häme gab es von allen Seiten - und
Industriekommissar Günter Verheugen, in der EU-Kommission schon zuvor
mit dem Bürokratieabbau beauftragt, schien nicht immer glücklich über

den «Neuen» zu sein. Inzwischen ist Verheugen raus aus dem
EU-Geschäft und Stoibers Gruppe direkt Barroso unterstellt. Stoiber
sieht zwei Erfolge: neben der Einführung elektronischer
Mehrwertsteuerabrechnungen habe seine Gruppe auch vereinfachte
Handelsbilanzen für Kleinstunternehmen auf den Weg gebracht.

   Der Vorschlag zu den Handelsbilanzen wurde 2008 in Stoibers Gruppe

beschlossen, 2009 von der EU-Kommission gebilligt, im März 2010 vom
Parlament - und nun muss er noch durch den Rat. Damit er auch diese
letzte Hürde übersteht, traf sich Stoiber zweimal mit Nicolas
Sarkozy, um den erst widerspenstigen französischen Präsidenten dafür

zu gewinnen. Das sei ihm gelungen. «Mit der Akzeptanz Frankreichs ist
der Vorschlag nun praktisch durch», meint Stoiber.

   Etwa alle sechs Wochen kommt das 15-köpfige Gremium, zu dem auch

Unternehmensberater Roland Berger gehört, in Brüssel zusammen. Man
diskutiere, argumentiere, stimme ab. Aber die Sache mit den
Handelsbilanzen offenbarte auch ein Ärgernis: den Zeitverlust. «Was
ich beklage, sind die langen Entscheidungswege in der EU. Wenn ich
ernsthaft Bürokratieabbau betreibe, muss ich schneller entscheiden:
Okay, das packe ich an, oder das lasse ich sein», sagt Stoiber.

   Wenn der Vorschlag durch ist, soll er die EU um sechs Milliarden
Euro entlasten; die elektronischen Abrechnungen bringen gut 18
Milliarden. Stoibers Mission in Brüssel endet 2012 - mit dann über 70
Jahren wird er wohl zurückkehren in die oberbayerische Heimat. Die
EU-Kommission müsse die Anti-Bürokratisierung im Anschluss gänzlich
selber übernehmen, sagt Stoiber, «das muss dann von sich aus laufen»,

ohne externes Zutun. Andererseits gibt es Bestrebungen von
EU-Abgeordneten, einen Ausschuss zu gründen, der sich allein damit
beschäftigt: ein neuer bürokratischer Apparat also, dazu da, die
Bürokratie abzubauen. Stoibers Team zumindest arbeitet ehrenamtlich.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Stoibers Expertengruppe](http://dpaq.de/entbuerokrator)
- [Mitglieder der Gruppe](http://dpaq.de/nNF6C)

## Orte
- [Büro Stoiber](Wagmüllerstraße 18, 80538 München)
- [EU-Kommission](Rue de la loi 200, 1049 Brüssel, Belgien)