Mittelmeerunion auf Eis gelegt: Serie von Rückschlägen Von Hubert Kahl, dpa
26.01.2011 16:06
Mit großem Pomp war die Mittelmeerunion vor zweieinhalb Jahren ins
Leben gerufen worden. Heute liegt die Partnerschaft der EU und der
Mittelmeerländer jedoch praktisch auf Eis. Gipfeltreffen wurden
abgesagt. Nun trat der Generalsekretär frustriert zurück.
Madrid (dpa) - Dies hätte die große Stunde der Mittelmeerunion
sein können: Nach dem Ausbruch der Unruhen in Tunesien und Ägypten
hätte sich der Zusammenschluss der Europäischen Union und der
Mittelmeerländer für demokratische Verhältnisse in den
nordafrikanischen Ländern einsetzen können. Europa hätte den Beweis
antreten können, dass es die Zusammenarbeit mit den südlichen
Mittelmeer-Anrainern ernst nimmt.
Aber die Mittelmeerunion hüllte sich zu den Ereignissen in
Tunesien und Ägypten in Schweigen. Sie trat gar nicht erst in
Erscheinung. Dabei sollten Ägypten und Tunesien doch eigentlich zwei
südliche Grundpfeiler des Zusammenschlusses von 43 Ländern auf beiden
Seiten des Mittelmeers sein.
Nun erlebte die Mittelmeerunion einen weiteren Rückschlag. Ihr
Generalsekretär Ahmed Massade trat zurück. Der Jordanier warf nach
nur einem Jahr im Amt frustriert das Handtuch. Er war enttäuscht
darüber, dass mehrere EU-Staaten kaum Interesse für die Union zeigten
und zugesagte Mittel nicht gewährt wurden.
Dabei war die Union am 13. Juli 2008 in Paris mit großem Pomp auf
einem Gipfeltreffen aus der Taufe gehoben worden. Frankreichs
Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte die Partnerschaft fast im
Alleingang auf die Beine gestellt. Ihm war der 1995 begonnene
«Barcelona-Prozess» der Zusammenarbeit zwischen der EU und den
Mittelmeerländern zu langsam gegangen. Vor einem Jahr bezog die neu
geschaffene Union ihr Generalsekretariat in der einstigen königlichen
Residenz des Pedralbes-Palastes in Barcelona.
Die erhoffte Belebung der Partnerschaft blieb jedoch aus. Die
Mittelmeerunion erlebte eine Serie von Rückschlägen und liegt heute
praktisch auf Eis. Spanien unternahm im vorigen Jahr zwei Versuche,
Gipfeltreffen in Barcelona einzuberufen. Beide Male mussten die
Konferenzen jedoch wegen des Konflikts zwischen Israel und den
Palästinensern abgesagt werden.
Um eine völlige Blockierung der Arbeit zu verhindern, war Massade
dazu übergegangen, die große Politik und den Nahostkonflikt
auszuklammern und sich stattdessen auf konkrete Projekte zu
konzentrieren. Aber auch damit erlitt er Schiffbruch. Eine Konferenz
über Wasserversorgung ging ohne Ergebnis zu Ende, weil Israel den
Ausdruck «besetzte Gebiete» im Schlusskommuniqué nicht akzeptiere.
Wie aus Kreisen der Mittelmeerunion verlautete, hat der Rücktritt
des Generalsekretärs nichts mit den Spannungen im Nahen Osten zu tun.
Massade sei vielmehr enttäuscht, weil Länder - vor allem in
Nordeuropa - Gelder zugesagt, diese dann aber nicht gezahlt hätten.
Der Generalsekretär habe alles getan, um die Mittel zur Finanzierung
von Kooperationsvorhaben aufzutreiben, sei aber damit gescheitert,
hieß es.
Für das Generalsekretariat hatte der Jordanier für dieses Jahr ein
Budget von 14,5 Millionen Euro beantragt. Er erhielt aber nicht
einmal die Hälfte. «Die Kürzung zeigt, wie es um das Engagement der
Mitgliedsstaaten bestellt ist», sagte er vor zwei Monaten der
katalanischen Nachrichtenagentur ACN.
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## Orte
- [Sitz der Mittelmeerunion](Palacio Real de Pedralbes, Avinguda
Diagonal 686, 08034 Barcelona, Spanien)