Endlich auf die Baustelle - Lehrlinge aus Osteuropa starten Von Leticia Witte, Peter Jähnel und Nico Esch, dpa (Mit Bild)

25.05.2011 11:44

Junge Polen und Tschechen unterschreiben Ausbildungsverträge in
Deutschland. Sie profitieren von der vollen
Arbeitnehmerfreizügigkeit: Sie lernen in Modellprojekten in Cottbus
und Chemnitz.

Cottbus/Chemnitz (dpa) - Wojtek arbeitet gerade an seiner Zukunft.
Der Gymnasiast aus dem polnischen Slubice lernt Deutsch. Ob er später
einmal im Nachbarland arbeiten möchte, weiß er mit seinen 16 Jahren
noch nicht. Deutschland hat er dennoch fest im Blick: Jenseits der
Oder, die bei Slubice fließt, liegt weithin sichtbar Frankfurt
(Oder). Mit seinen Freunden hat der Schüler eine
Informationsveranstaltung in Slubice zum Thema «Ausbildung in
Deutschland» besucht - seit Beginn der vollen
Arbeitnehmerfreizügigkeit am 1. Mai steht so etwas hoch im Kurs.

In Cottbus und Chemnitz sind junge Leute aus Polen und Tschechien
schon jetzt in Ausbildung. Seit Anfang Mai läuft bei der
Handwerkskammer Cottbus ein entsprechendes Pilotprojekt. Die 22
Teilnehmer aus Westpolen machen bis Ende August einen
Deutsch-Intensivsprachkurs. Am 1. September beginnt dann die
Ausbildung in den Unternehmen.

«Es handelt sich hierbei um Ausbildungsplätze, die nicht mit
einheimischen Jugendlichen besetzt werden konnten», sagt der
stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Horst
Freimann. Bäcker, Fleischer, Kfz-Mechatroniker, Dachdecker, Maurer
und Friseur - das Angebot ist groß. «Die Ausbildungsbetriebe sichern
sich somit künftig zweisprachige Fachkräfte.»

In Cottbus gibt es neben dem Pilotprojekt seit April auch ein
Praktikantenprogramm der Industrie- und Handelskammer (IHK) für
derzeit 100 polnische Schüler aus Zielona Gora (Grünberg). Nach
Einschätzung des stellvertretenden IHK-Hauptgeschäftsführers Andreas

Kotzorek könnte in den nächsten Jahren bis zu ein Prozent der
Lehrstellen in Südbrandenburg mit Polen besetzt werden.

In den vergangenen Wochen sind in der Region Chemnitz junge
Tschechen eingetroffen. Für sie ist die deutsche Arbeitswelt eine
völlig neue Erfahrung: «Es gibt in Tschechien keine duale
Berufsausbildung», erklärt der Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer Chemnitz, Frederik Karsten. Im Nachbarland werde
ausschließlich in der Berufsschule gelernt. Lehrlingseinsätze auf
echten Baustellen - in Tschechien sei das absolut unüblich. «Das ist
in Europa eine Besonderheit, um die wir beneidet werden.»

Vielleicht auch deshalb starten elf tschechische Jugendliche aus
der Region Most nun ihre Berufsausbildung in Sachsen, acht davon im
Elektrogewerbe, drei im Straßenbau. Die Verträge sind unterschrieben,
bis zum Start wird nun fleißig Deutsch gelernt. «Denn das ist das A
und O», betont Karsten.

Uwe Hartlich, Geschäftsführer der Elektrotechnik Oelsnitz GmbH im
Erzgebirge, spricht ganz bewusst von einem Experiment, an dem sich
seine Firma beteiligt. Drei tschechische Azubis hat Hartlich
eingestellt, ein vierter soll folgen. Der erste Eindruck sei bestens.
«Die wissen, was auf sie zukommt.» Alle hätten schon eine Ausbildung

in ihrem Heimatland absolviert. Dass die jungen Männer anfangs nur
wenig Deutsch könnten, sei zwar eine Herausforderung für beide
Seiten. «Aber auf den Baustellen ist das eigentlich kein Problem.»

Unter den deutschen Jugendlichen sei die Nachfrage nach
Lehrstellen teilweise rapide zurückgegangen, haben sowohl Karsten als
auch Unternehmer Hartlich festgestellt. Deswegen dürften die
Lehrlinge aus Tschechien nach dem Ende ihrer Ausbildung auch gern
bleiben: «Wir bilden ja nicht aus, um auszubilden», sagt Hartlich.
«Wir bilden aus, um einzustellen.»

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Handwerkskammer Cottbus](http://dpaq.de/Q6thb)
- [IHK Cottbus](http://dpaq.de/t3EyN)
- [Agentur für Arbeit](http://dpaq.de/2l3CZ)
- [Handwerkskammer Chemnitz](http://dpaq.de/8Pu0H=

## Orte
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- [IHK Cottbus](Goethestraße 1, 03046 Cottbus)
- [Agentur für Arbeit](Heilbronner Straße 24, 15230 Frankfurt (Oder))
- [Handwerkskammer Chemnitz](Limbacher Straße 195, 09116 Chemnitz)

## Ansprechpartner
- Michel Havasi, Handwerkskammer Cottbus, Öffentlichkeitsarbeit,
+49 355 7835200
- Nils Ohl, Sprecher IHK Cottbus, +49 355 3652400
- Pressestelle Agentur für Arbeit Frankfurt (Oder), +49 335 5703000
- Handwerkskammer Chemnitz, +49 371 53640

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