Euro-Fiktion wird wahr: Holland baut Geldscheinbrücken Von Thomas Burmeister, dpa

04.07.2011 10:00

Am Euro ist nicht alles echt. Die Brücken auf den Rückseiten der
Geldscheine zum Beispiel sind ein Fantasie-Produkt. Doch jetzt werden
sie in Holland nachgebaut - auch damit im Falle eines Falles vom Euro
etwas Belastbares übrigbleibt.

Spijkenisse bei Rotterdam (dpa) - Über sieben Brücken musst du
gehen, sang einst die DDR-Rockband Karat. Sieben Brücken sind auch
auf den Rückseiten der Euro-Scheine abgebildet. Nur dass die bislang
nirgendwo begehbar waren. Sie existierten lediglich auf dem Papier,
aus dem die 5- bis 500-Euro-Banknoten gemacht sind. Einem findigen
Holländer ist es zu danken, dass aus der Fiktion Wirklichkeit wird:
In einem wasserreichen Vorort von Rotterdam werden sieben Eurobrücken
Grachten überspannen. Die ersten zwei sind fast fertig.

Die Idee kam dem Grafikdesigner Robin Stam, als er in einem
Restaurant auf die Rechnung wartete. «Ich schaute mir derweil die
Euros mal etwas genauer an und fragte mich, wo die Brücken wohl
stehen mögen», erzählt der 30-Jährige bei einem Spaziergang durch
«Het Land», ein Neubauviertel in seinem Geburtsort Spijkenisse unweit
von Rotterdam. Beim Googeln zeigte sich rasch, dass die
Geldscheinbrücken das Zusammenwirken der Euroland-Völker
symbolisieren sollen, aber nicht real existieren. «Da dachte ich, es
wäre ein netter Gag, sie wirklich zu bauen.»

Der österreichische Banknotendesigner Robert Kalina hatte 1996 den
EU-Wettbewerb für die Gestaltung der Euroscheine auch deshalb
gewonnen, weil seine neutralen Entwürfe keinerlei Anlass für
Eifersüchteleien zwischen den Mitgliedstaaten boten. Man stelle sich
das Debattenchaos vor, wenn reale Bauten für die Banknoten
vorgeschlagen worden wären: Nie hätten die Franzosen hingenommen,
dass die Rialtobrücke in Venedig auf den 500-Euro-Schein kommt und
die Pariser Brücke Pont Neuf nur auf den 200er.

Vielleicht hätten die Deutschen sich in Bescheidenheit geübt und
den 20-Euro-Schein für das «Blaue Wunder» akzeptiert, die schöne
Elbbrücke in Dresden. Aber die Griechen hätten bestimmt wieder tief
in die Trickkiste gegriffen, damit ihre Rio-Andirrio-Brücke über den
Golf von Korinth nicht auf den falschen Fuffziger, sondern mindestens
auf den grünen Hunderter kommt. Und wohin mit der aufsehenerregenden
Puente del Alamillo in Sevilla oder der nicht minder großartigen
Ponte Vasco da Gama in Lissabon?

Wie auch immer, Robin Stam erzählte dem Bürgermeister der
73000-Seelen-Gemeinde Spijkenisse von seiner Idee. Der war begeistert
und gab bei dem jungen Künstler Entwürfe für den Bau aller sieben
Geldscheinbrücken in Auftrag. Zwei Fliegen sollten mit einer Klappe
geschlagen werden: Das wasserreiche Neubauviertel «Het Land» brauchte
sowieso eine Anzahl kleiner Brücken zur Überquerung seiner Grachten.
«Zugleich sollen sie eine Attraktion für Touristen werden, die ihr
Geld bislang eher in Rotterdam oder Amsterdam ausgeben», sagt Stam.

Investoren, Architekten und Baubetriebe waren rasch gefunden. Die
Europäische Zentralbank erkannte die Chance, dem Euro mit realen
Geldscheinbrücken zusätzlich Popularität zu verschaffen, und gab
grünes Licht. Feierlich eingeweiht werden die beiden ersten Brücken
im September. Sie wurden nach den 10- und 50-Euro-Noten gestaltet,
die an die Baustile der Romanik sowie der Renaissance erinnern.

Die fünf anderen Geldbrücken stehen wie die auf den Banknoten für

Klassik (5 Euro), Gotik (20), Barock und Rokoko (100), das
Industriezeitalter mit seinen Eisen- und Glasbauten (200). Und
schließlich die Moderne Architektur auf dem 500-Euro-Schein, den die
meisten Menschen freilich eher bei Geldübergaben in Fernsehkrimis als
im wirklichen Leben zu sehen bekommen.

«In spätestens zwei Jahren», sagt Stam, «wird hier alles fertig

sein. Dann haben wir hoffentlich viele Besucher, die über sieben
Brücken gehen möchten - und "Het Land" nennen wir dann "Het
Euroland".» Aber was, wenn der Euro bis dahin doch noch baden geht
und in Holland wieder mit dem Gulden bezahlt wird? «Dann kommen doch
erst recht Touristen. Wo sonst könnte man auf dem herumtrampeln, was
vom Euro an Belastbarem übrig geblieben ist?»

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Website des Designers](http://www.robinstam.nl/)
- [Neubauveriertel Het Land](http://www.woneninhetland.nl/)

## Orte
- [Eurobrücken](«Het Land», Spijkenisse bei Rotterdam, Niederlande)