SPD-Troika bietet Merkel Krisenkooperation an Von Georg Ismar, dpa

18.07.2011 16:58

Nein, mit der Kanzlerkandidatenfrage habe der Auftritt nichts zu tun,
sagt Parteichef Gabriel. Gemeinsam mit Fraktionschef Steinmeier und
Ex-Finanzminister Steinbrück fordert er mehr Einsatz zur Eurorettung.
Dennoch stellt sich die Frage: Bildet sich da eine neue SPD-Troika?

Berlin (dpa) - Die Frage musste kommen. Doch bis es soweit ist,
wird erstmal jede Regung seziert. Als Peer Steinbrück und Sigmar
Gabriel sich zueinander hinbeugen und kurz tuscheln, steigt sofort
der Lärmpegel durch klickende Kameras. Nach 45 Minuten und teils
dramatischen Appellen an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), das Projekt
Europa zu retten, wird Gabriel gefragt, warum er denn ausgerechnet
Ex-Finanzminister Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter
Steinmeier mitgebracht hat. «Wenn wir nicht zu dritt gekommen wären,
hätten Sie gefragt, warum einer von uns nicht dabei ist», antwortet
der SPD-Chef. «Dem wollten wir aus dem Weg gehen.»

Nun sitzen da am Montag in der Bundespressekonferenz ausgerechnet
die Drei, die wohl unter sich die SPD-Kanzlerkandidatur für 2013
ausmachen werden. Schon ist von einer neuen Troika die Rede. Lange
hatte man überlegt, ob man zum Start der Sommerpause die derzeitigen
Frontmänner der Partei noch einmal gemeinsam auf ein Podium setzt. In
der Fraktion war man sich bewusst, dass die eigentlichen Inhalte dann
sekundär sein könnten und vor allem die K-Frage dominieren könnte.

Gabriel sagt, man habe sich wegen der Zuspitzung der Euro-Krise
zum gemeinsamen Auftritt entschlossen. Die SPD bietet Merkel eine
Zusammenarbeit an, um den Euro zu retten. Auch unpopuläre Maßnahmen
will man mittragen, wenn sie das Zaudern und das Schnüren von immer
neuen Rettungspaketen beenden. Während Merkel den Euro nicht in der
Krise sieht, glaubt Steinbrück, dass der von ihm seit Wochen
empfohlene Teilerlass von Schulden für Athen unausweichlich ist.

Steinmeier verweist darauf, dass Merkel zu Beginn der Krise vor
einem Jahr gestartet sei mit der Aussage, Griechenland brauche keine
Hilfe. Dann sei gesagt worden, Griechenland sei ein Einzelfall und
der Euro-Rettungsschirm müsse nicht in Anspruch genommen werden.
«Durch Nichthandeln kann man falsch handeln», so Steinmeier.

Gabriel betont, es gehe hier nicht um eine Kleinigkeit, sondern um
die Rettung des Euros, längst habe sich die Schuldenkrise zu einer
politischen Krise in der EU ausgeweitet. Steinmeier und dem früheren
Finanzminister Steinbrück attestiert er eine hohe Fachkompetenz.
Steinbrück, der heute nur noch normaler Abgeordneter ist, sei dabei,
weil er gezeigt habe, solche Finanzkrisen zu händeln.

Doch der SPD kommt es sicher auch ein wenig zupass, dass sie sich
über Personen wie Steinbrück wieder stärker ins Gespräch bringen ka
nn
- und viele SPD-Vorschläge in der Eurokrise entwickeln sich immer
mehr zur Mehrheitsmeinung bei den EU-Staatenlenkern. Stichwort
Schuldenschnitt für Athen. Steinbrück betont, bisher fehle ein
starkes Signal, wie er es auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 mit
Merkel durch eine Garantie für alle Sparguthaben gegeben habe.

Die Frage ist, ob aus dem Dreigestirn womöglich eine Fronttruppe
für die nächsten Monate wird. Die SPD hat bisher eher wechselhafte
Erfahrungen mit Troikas gemacht. Anfang der 70er Jahre waren es Willy
Brandt, Helmut Schmidt und Herbert Wehner, die die sozial-liberale
Koalition prägten. Als Brandt 1974 wegen der Enttarnung des im
Kanzleramt tätigen DDR-Spions Günter Guillaume zurücktrat, wurde
Schmidt Kanzler. Fraktionschef Wehner soll zuvor das Vertrauen in
Brandt verloren und Führungsstärke vermisst haben. Legendär ist das
kolportierte Wehner-Zitat über Brandt: «Der Herr badet gerne lau.»

Noch deutlicher traten Differenzen innerhalb einer SPD-Troika in
den 90er Jahren auf. Unvergessen ist der Wahlwerbespot für die
Bundestagswahl 1994. Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder und in der
Mitte Rudolf Scharping schreiten erhaben einen Säulengang entlang.
«Deutschland soll wieder ordentlich regiert werden», sagt eine Stimme
aus dem Off - mit Lafontaine als Finanzminister, der mit dem «Bonner
Finanzchaos» aufräumt, mit Schröder als Wirtschaftsminister, der fü
r
neue Jobs sorgt und mit Scharping als Kanzler, der Helmut Kohl
ablöst. Die SPD verlor die Wahl, ein Jahr später stürzte Lafontaine
beim Parteitag in Mannheim Scharping als SPD-Vorsitzenden.

Auch wenn Steinbrück und Steinmeier in der Wählergunst derzeit vor
Merkel rangieren, liegt die SPD in Umfragen bisher nur knapp über
ihrem Bundestagswahlergebnis von 23 Prozent. Vielleicht kann da ein
bisschen mehr Personalisierung helfen. SPD-Urgestein Klaus von
Dohnanyi geht davon aus, dass ein «Stone» Kanzlerkandidat werden
wird. Wenn die Entscheidung gefallen ist, stellt sich die Frage, wie
lange der Frieden unter den Spitzenleuten halten wird. Denn für eines
ist die SPD immer gut: für innerparteiliche Zerwürfnisse.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [SPD-Vorschläge in der Eurokrise](http://dpaq.de/FMyhm)
- [Wahlwerbespot von 1994](http://dpaq.de/y2a61)

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