Griechenland-Hilfe wird mehr als verdoppelt Von Marion Trimborn und Christian Böhmer, dpa

21.07.2011 23:24

Nach langem Ringen einigen sich die «Chefs» der Eurozone auf die
Griechenland-Rettung. Erstmals sind Banken und Versicherungen mit im
Boot. Die Schuldenkrise soll nicht zu einem Flächenbrand werden. Dazu
wird der Krisenfonds zu einem umfassenden Hilfsfonds umgebaut.

Brüssel (dpa) - Das krisengeschüttelte Griechenland bekommt ein
neues Hilfspaket von Eurostaaten und Internationalem Währungsfonds
(IWF) im Umfang von 109 Milliarden Euro. Zum ersten Mal ziehen zudem
Banken und Versicherungen mit einem eigenen Beitrag von zusätzlich 37
Milliarden Euro mit. Das beschloss der Euro-Krisengipfel am
Donnerstag in Brüssel. Damit summieren sich die seit dem vorigen Jahr
eingeräumten internationalen Hilfen auf insgesamt knapp 260
Milliarden Euro. Zu dem Maßnahmenbündel für Athen gehören günstig
ere
Zinsen und längere Laufzeiten für Kredite.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach Abschluss des
Treffens: «Wir haben heute eine wichtige Etappe erreicht.» Die
Euro-Zone habe Handlungsfähigkeit bewiesen. «Wir sind diesen
Herausforderungen gewachsen.»

An die Adresse der heimischen Steuerzahler unterstrich die
Kanzlerin: «Was wir in diesen Zeiten aufwenden, bekommen wir um ein
Vielfaches zurück.» Die Kanzlerin sicherte Griechenland volle
Solidarität zu: «Wir werden Griechenland zur Seite stehen.»

Griechenland war bereits 2010 mit internationalen Kreditzusagen
von 110 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt worden. Davon stehen
noch 45 Milliarden Euro aus. Dieses Paket reicht aber nicht mehr aus.
Inzwischen hängen auch Portugal und Irland am internationalen
Finanztropf; Italien und Spanien gelten als potenzielle Kandidaten.

Laut Abschlusserklärung des Gipfels kann die Beteiligung des
Privatsektors auf bis zu 50 Milliarden Euro steigen. Für den Zeitraum
bis 2019, also bis weit nach Ablauf des Programms, werde der Anteil
der Banken und Versicherungen etwa 106 Milliarden Euro erreichen.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte mit Blick
auf die Bankenbeteiligung: «Das machen wir nur für Griechenland, wir
werden es für kein anderes Land der Euro-Zone machen. Wir sagen klar
und deutlich, dies ist ein Sonderfall.» Sarkozy, Merkel und der
Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet,
hatten sich am Mittwoch in Berlin auf Grundlinien des Kompromisses
verständigt.

Zur Griechenland-Rettung brechen die Staaten ein Tabu: Sie
akzeptieren den vorübergehenden Zahlungsausfall Griechenlands. Denn
die Einbeziehung privater Gläubiger würde dazu führen, dass die
Ratingagenturen Griechenland für «teilweise zahlungsunfähig» erkl
ären
würden. Das wird aber erst zu einem späteren Termin passieren. Der
«Zahlungsausfall» soll auf wenige Tage beschränkt werden.

Insbesondere die EZB hatte sich lange dagegen gewehrt, weil sie
Turbulenzen an den Finanzmärkten fürchtet. Trichet sagte: «Wir werden

sehen, was passiert.» Die Spitzen der Eurozone hätten vorgesorgt: Für

mögliche Finanzspritzen an griechische Banken stünden 20 Milliarden
Euro bereit, für die Refinanzierung im Falle eines Zahlungsausfalls
sei eine Absicherung von 35 Milliarden Euro vorgesehen. Die EZB nimmt
bisher griechische Anleihen von Banken als Sicherheit an -
ausgefallene Papiere kann sie aber nicht akzeptieren.

Um die wirtschaftliche Erholung Griechenlands zu unterstützen,
will die EU die für Athen vorgesehenen Zuschüsse für schwache
Regionen neu verteilen. Griechenlands Premier Giorgos Papandreou
nannte dies «eine Art Marshall-Plan». Die von Frankreich favorisierte
Bankenabgabe ist dagegen vom Tisch.

Die Staats- und Regierungschefs wollen jenseits der Hilfe für
Griechenland vor allem verhindern, dass sich die Krise zu einem nicht
mehr beherrschbaren Flächenbrand auswächst. Der europäische
Krisenfonds für finanzschwache Eurostaaten EFSF soll daher schon
vorbeugend Geld bereitstellen, falls Euro-Länder in Gefahr geraten.
Eine Aufstockung des EFSF soll es nicht geben. Er soll bald eine
Ausleihkapazität von 440 Milliarden Euro haben.

Spanien und Italien werden in diesem Zusammenhang nicht
ausdrücklich genannt; für die Finanzmärkte sind die beiden großen
südeuropäischen Volkswirtschaften aber seit längerem die nächsten
Wackelkandidaten. «Wir mussten schnell handeln», sagte
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. «Es hätte sonst einen
Vertrauensverlust gegeben.»

Die internationalen Märkte reagierten erleichtert: An allen
wichtigen Börsen kletterten die Kurse; vor allem Finanzwerte
profitierten. Der Eurokurs stieg bis zu 1,44 Dollar. Die
Risikoaufschläge für Anleihen angeschlagener Euroländer gaben
deutlich nach. Der deutsche Aktienmarkt bekam kräftig Auftrieb. So
schloss der Dax, der am Vormittag noch Verluste verbucht hatte, fast
ein Prozent höher bei 7290,14 Punkten.

Seit Wochen wurde über eine Beteiligung privater Gläubiger
diskutiert, die vor allem Berlin forderte. Dies wird nun auf
freiwilliger Basis erfolgen.

In der Abschlusserklärung heißt es: «Der Finanzsektor hat seine
Bereitschaft erklärt, Griechenland auf einer freiwilligen Basis mit
einer Reihe von Optionen zu unterstützen (...)». Dazu gehört
beispielsweise der Umtausch von griechischen Anleihen in neue Bonds
mit längeren Laufzeiten.

Damit Griechenland seine Kredite leichter zurückzahlen kann,
sinken wohl die Zinsen, und die Laufzeiten werden verlängert. Das von
der Pleite bedrohte Griechenland werde vom Krisenfonds EFSF mit
frischem Geld zu niedrigen Zinsen versorgt werden. Der Zinssatz soll
sich auf rund 3,5 Prozent belaufen, heißt es in dem Papier. Die
Laufzeiten der Kredite sollen von bisher siebeneinhalb auf mindestens
15 Jahre und bis zu 30 Jahre gestreckt werden.

Auch für Portugal und Irland, die ebenfalls von milliardenschweren
Hilfsprogramm der Partner profitieren, sollen die Zinsen sinken. Der
EFSF wird somit zum Ankauf von Staatsanleihen genutzt - aber nur
unter strikten Bedingungen. Dies war von deutscher Seite bislang
kritisch gesehen worden. Der EFSF wurde ursprünglich als Feuerwehr
geschaffen, um Staaten vor der Pleite zu bewahren - wie bisher Irland
und Portugal.

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