Nachbar in Not: Österreich fürchtet Ungarns Finanzkrise Von Irmgard Rieger, dpa

09.01.2012 16:24

Wie kein anderes Land ist Österreich in Ungarns Finanzwelt engagiert.
Jetzt wächst in der Alpenrepublik die Angst, die Krise beim Nachbarn
könnte überschwappen.

Wien (dpa) - Ungarn auf Ramsch-Niveau - das einhellige Urteil der
Ratingagenturen zur Kreditwürdigkeit macht den Nachbarn Österreich
zusehends nervös. Denn wenn Budapest die Pleite droht, ist auch Wiens
Bestnote in Gefahr.

Noch im Dezember hatten die Agenturen das «AAA» für Österreichs

Bonität bestätigt. Doch das Land ist Ungarns größter Kreditgeber -

mit seinem traditionell stark in Osteuropa verankerten Bankensektor,
und genau das könnte jetzt auch die Staatsfinanzen erschüttern: Fast
32 Milliarden Euro haben österreichische Banken über die Grenze
verliehen. Platzen Kredite, würden Institute wanken, der Staat wäre
gefragt.

Indikatoren der wachsenden Nervosität wegen der Ungarn-Krise:
Kreditausfallversicherungen (CDS) werden für das Land drastisch
teurer. Die Renditen für kurzfristige Staatsanleihen steigen. Der
österreichische Aktienindex ATX verlor am Montag, dem ersten
Handelstag nach der Bekanntgabe der Herabstufung Ungarns rund 1,6
Prozent.

«Das ist eine Situation, die wir sehr genau beobachten müssen»,
sagte die Sprecherin der Raiffeisen Bank International (RBI), Ingrid
Krenn-Ditz. Neben RBI sind die Erste Group, die Volksbanken AG und
die Unicredit-Tochter Bank Austria stark im ungarischen Markt
involviert.

Die RBI etwa verzeichnete im vergangenen Jahr 320 Millionen Euro
Verluste, die Erste musste im Oktober den gesamten Firmenwert der
Ungarn-Tochter in Höhe von 312 Millionen Euro abschreiben. Unter
anderem mit einer Kapitalerhöhung von 600 Millionen Euro sieht sich
die Erste erst einmal gewappnet: «Ich glaube, dass wir gut vorgesorgt
haben mit diesen Maßnahmen», sagte Erste-Sprecherin Hana Cygonková.

Die Banken sehen jetzt erst einmal die Politik in Budapest am Zug.
«Es gibt Zeichen, dass (Ungarns Ministerpräsident Viktor) Orban
einlenkt», meint ein Analyst. «Ungarn ist Teil Europas», meint
RBI-Sprecherin Krenn-Ditz, «Orban kann sich nicht aus der
Verantwortung stehlen».

Offensichtlich ist Wien nicht bereit, die Zeche für die Folgen des
ungarischen Regierungskurses zu zahlen: Verschlechtert sich das
Rating, müsste Österreich jährlich etwa drei Milliarden Euro mehr an

Zinsen zahlen, rechnete der konservative Außenminister Michael
Spindelegger vor.

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