Martin Schulz: Ein streitlustiger Präsident des EU-Parlaments Von Dieter Ebeling, dpa (Mit Bild)
13.01.2012 14:38
Er kämpft gerne. Um mehr Europa. Der deutsche Sozialdemokrat Martin
Schulz ist ein streitlustiger Mann. Nun muss er etwas ruhiger werden:
Am 17. Januar wird er Präsident des Europaparlaments.
Brüssel (dpa) - Martin Schulz (56) ist ein Laut-Sprecher. Seit
2004 steht der wortgewaltige und streitlustige Sozialdemokrat aus
Eschweiler (Nordrhein-Westfalen) der 190 Abgeordnete zählenden
Fraktion der Sozialisten und Demokraten im Europaparlament vor. Nun
wird Schulz Präsident des Parlaments. Das bedeutet: Er spricht in den
kommenden zweieinhalb Jahren für sämtliche 754 Euro-Parlamentarier.
Dabei kommt es nicht so sehr auf konfliktfreudige Scharfzüngigkeit
an. Vielmehr auf beharrliches Durchsetzungsvermögen im Machtpoker mit
dem Ministerrat und der EU-Kommission.
Der Buchhändler aus dem deutschen Grenzland zu Belgien und den
Niederlanden tritt mitten in der schweren europäischen Schuldenkrise
an die Spitze des Europaparlaments. Das Parlament ist seit dem Ende
2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon zu einem wichtigen
Akteur geworden. Ohne Zustimmung der Abgeordneten läuft auch im Kampf
um Stabilität des Euros und gegen zunehmenden Vertrauensverlust bei
den Bürgern nichts mehr. Der Präsident des Europaparlamentes ist der
wichtigste Gesprächspartner der Regierungschefs. Sogar zu Beginn von
Gipfeltreffen darf er kurz reden, muss dann aber den Raum verlassen.
Immerhin bleibt Schulz bei den Gipfeln ein Wiedersehen mit dem
bisherigen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi erspart. Im
Juli 2003 hatte Berlusconi im Parlament zu Straßburg den Deutschen
beschimpft und gesagt, dieser könne in einem Film auch die Rolle
eines KZ-Aufseher spielen. Der Zwischenfall vor laufenden Kameras
sorgte für Empörung - und machte das Gesicht des vollbärtigen Schulz
schlagartig europaweit bekannt.
Schulz gehört neben dem Grünen Daniel Cohn-Bendit zu den
rhetorischen Schwergewichten des Europaparlaments. Als
Parlamentspräsident ist er zwar von Amts wegen dem politischen
Konsens verpflichtet, doch erwartet niemand, dass Schulz die Freude
am harten politischen Schlagabtausch verlieren könnte. Die
Regierungen dürften das zu spüren bekommen. Schon seit Jahren
kritisiert Schulz, dass in der EU zu viel Wichtiges hinter
verschlossenen Türen entschieden werde. Er wolle schon bei seinem
ersten Gipfel-Auftritt Ende Januar versuchen, das zu ändern: ««Diese
Entwicklung können wir nur im Kampf umkehren», sagte er dem
«Spiegel».
Jahrelang gehörte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu
den bevorzugten Objekten beißender Kritik und herben Spotts des
deutschen Sozialdemokraten. Seit aber Barroso nach Beginn seiner
zweiten und letzten Amtszeit gegenüber den Regierungen mutiger wurde
und beispielsweise offen für Eurobonds oder Finanztransaktionssteuer
kämpft, wurde er sogar mehrfach von Schulz gelobt. Ebenso wie Schulz
mahnt auch Barroso im Angesicht der Krise, die wichtigen
Entscheidungen nicht allein den Regierungen zu überlassen. Die
sogenannte «Gemeinschaftsmethode», also die Beteiligung von Parlament
und Kommission, dürfe nicht durch Beschlüsse der Regierungen
verdrängt werden.
Nicht nur die Schuldenkrise beschäftigt die EU derzeit. Ein
zweites großes und wichtiges Thema während der Amtszeit Schulz' -
Konservative und Sozialdemokraten wechseln sich auf dem Posten des
Parlamentspräsidenten ab - ist der «Mehrjährige Finanzrahmen» der E
U
für die Periode 2014 bis 2020. Es geht darum, wie viel Geld die EU
wofür ausgeben darf - also um etwa eine Billion Euro. Bis Ende 2012
muss das entschieden werden. Nicht nur von den Regierungen, die sich
in dieser Debatte alles andere als einig sind, sondern auch vom
Europaparlament. In diesem Streit kann der Parlamentspräsident die
Muskeln spielen lassen - er muss aber auch den richtigen Zeitpunkt
zum Kompromiss erkennen.
Für Schulz ist der Präsidentenposten die Krönung einer langen
politischen Karriere, die mit seinem Eintritt in die SPD begann, als
er 19 Jahre alt war und ihn dann über den Stadtrat von Würselen und
den Kreisvorsitz der SPD Aachen 1994 ins Europaparlament führte.
Dennoch gilt er auch weiterhin als Kandidat für höhere Weihen: Schulz
ist auch immer im Gespräch, wenn es um den Posten des deutschen
EU-Kommissars geht.
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