CAC in Athen: Schuldenschnitt per Gesetz Von Harald Schmidt, dpa

22.02.2012 12:16

Die Griechen machen ernst mit dem Schuldenschnitt: Wenn sich nicht
genügend Investoren auf den Forderungsverzicht einlassen, soll der
Schnitt auch gegen ihren Willen über die Bühne gehen.

Frankfurt/Main (dpa) - Die Idee klingt eigentlich gut: Banken und
Versicherungen verzichten auf Forderungen, um Steuerzahler bei der
Griechenland-Rettung zu entlasten. Das Problem: Die private
Beteiligung am Hellas-Paket sollte «freiwillig» sein, damit
Ratingagenturen den Schritt nicht als Staatspleite bewerten, so das
Kalkül der Politik. Nun trauen die Griechen dem Braten nicht. Die
Regierung hat am Mittwoch ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem
die privaten Gläubiger notfalls zum Forderungsverzicht gezwungen
werden könnten, falls die Beteiligung am freiwilligen Schuldenschnitt
zu niedrig ausfallen sollte. Solche «Collective Action Clauses» (CAC)
würden die Umschuldung erleichtern, sind rückwirkend aber heikel.

Was sind «Collective Action Clauses» (CAC)?

Das sind Umschuldungsklauseln, die es den Schuldnern bei
Zahlungsschwierigkeiten ermöglichen, mit den Gläubigern über neue
Bedingungen zu verhandeln. Die neuen Zahlungsbedingungen können von
der Mehrheit der Geldgeber beschlossen werden - einzelne Gläubiger
können eine Umschuldung nicht mehr blockieren. Üblicherweise bauen
Emittenten von Schuldverschreibungen diese CAC schon ein, wenn die
Anleihen begeben werden. So soll ein mögliches Umschuldungsverfahren
von vornherein in geordnete Bahnen geleitet werden. «Mit CACs wird
ein Rechtsrahmen geschaffen, der Umschuldungsverhandlungen mit
heterogenen Gläubigergruppen durch Mehrheitsvoten erleichtern kann»,
erklärt der Bankenverband.

Wie kann Griechenland die privaten Gläubiger zum Schuldenschnitt
zwingen?

Athen will die Anleihebedingungen nachträglich per Gesetz ändern.
Damit müssten auch Gläubiger auf Geld verzichten, die sich nicht
freiwillig an einem Schuldenschnitt beteiligen wollen. Das
griechische Parlament will die rückwirkende Einführung solcher
Collective Action Clauses am Donnerstag (23.2.) beschließen. Das soll
«eine akzeptable Beteiligungsquote sicherzustellen, wenngleich ihre
Anwendung äußerst fragwürdig wäre», schreibt Unicredit-Chefvolksw
irt
Erik Nielsen in einer Analyse.

Ist das nach der Einigung mit dem Bankenverband IIF überhaupt
notwendig?

Vielleicht, denn noch ist unklar, wie viele Gläubiger freiwillig
auf Forderungen verzichten werden. Vor allem Hedge Fonds sollen das
ablehnen. «Der Deal ist noch nicht in trockenen Tüchern», betont
Christian Schulz von der Berenberg Bank. Es gebe ein Risiko, dass die
angestrebte Beteiligung von 90 Prozent der Privatgläubiger verfehlt
werde: «Wenn Griechenland die Schuldenentlastung per Zwang erreichen
muss, könnten komplizierte juristische Auseinandersetzungen folgen.»

Wie würden Ratingagenturen reagieren?

Ratingagenturen würden einen solchen Schritt sicher als
Zahlungsausfall bewerten, ist Nielsen überzeugt. Das könnte wiederum
die ohnehin nervösen Finanzmärkte erneut erschüttern. Zudem würden

Kreditausfallversicherungen (CDS) in unbekannter Höhe fällig, was die
europäische Politik aus Sorge vor unabsehbaren Turbulenzen und
Kettenreaktionen unbedingt vermeiden will.

Wäre ein nachträglicher Zwangsverzicht überhaupt legal?

Diese Frage kann zwar erst abschließend beurteilt werden, wenn die
Klauseln im Detail vorliegen. Viel spricht aber dafür, dass ein
solches Gesetz juristisch anfechtbar wäre. «Das wäre eine
Enteignung», betont Ökonom Klaus Fleischer von der Hochschule
München. Nielsen bezeichnet eine rückwirkende Gesetzgebung als «mehr

als heikel»: «Der Glaube an den Rechtsstaat würde Schaden nehmen.»


Was bedeutet das für die «öffentlichen» Gläubiger?

Größter Einzelgläubiger Griechenlands ist die EZB. Die darf
Staaten aber nicht finanzieren. Sie hat deshalb in der Trickkiste
gekramt und ihre Bonds im Wert von geschätzten 50 Milliarden Euro vor
möglichen nachträglichen CACs geschützt. Die EZB hat ihre Anleihen
gegen neue Papiere getauscht. Diese sind zwar bezüglich Laufzeit und
Konditionen identisch mit den alten. Sie tragen aber eine andere
Kennnummer, die bei CACs ausgenommen wäre. Selbst Notenbank-Kreise
räumen ein, dass diese Sonderbehandlung Risiken birgt: «Am Ende des
Tages geht es um die Frage, ob ich als Emittent einzelne Gläubiger
besserstellen kann. Alles, was in diese Richtung deutet, ist
rechtlich kritisch zu bewerten.»

Welche Folgen könnte der Schuldenschnitt per Gesetz für andere
Euro-Länder haben?

Ökonomen und Politiker warnen vor Kettenreaktionen. Schließlich
könnte sich künftig kein Investor mehr darauf verlassen, dass nicht
auch andere Staaten ihre Anleihe-Bedingungen nachträglich ändern. Das
würde die Attraktivität der lange als absolut sicher gesehenen
Staatspapiere mindern - und die Refinanzierung der Euroländer am
Kapitalmarkt erschweren. Der Münchner Ökonom Fleischer beschwichtigt
aber: «Ich bin nicht der Meinung, dass es einen Flächenbrand geben
würde. Man darf Griechenland und Italien nicht in einen Topf werfen.»

# dpa-Notizblock

## Internet
- [EZB zu Staatsanleihenkäufen]( http://dpaq.de/HV36d)
- [Erklärung der Eurogruppe vom 9.2.2012]( http://dpaq.de/bhJv6)
- [Bankenverband IIF zu Gläubigerbeteiligung (englisch)]
(http://dpaq.de/VXiRR)
- [Gipfel-Erklärung vom Oktober 2011]( http://dpaq.de/BZbyC)
- [Erklärung der Bundesregierung nach Oktober-Gipfel zum 2.
Griechenland-Paket]( http://dpaq.de/eiYsV)

## Orte
- [EZB](Kaiserstraße 29, 60311 Frankfurt am Main)