Wie Brüssel die Raucher schrecken will Von Marion Trimborn und Martina Herzog, dpa
19.12.2012 16:55
Brüssel (dpa) - Raucherlungen, trübe Augen und kaputte Zähne:
Neben Warnhinweisen will die EU-Kommission Schockbilder auf
Zigarettenpackungen bringen. Auch der Inhalt der Schachteln soll
unattraktiver werden. Aromazigaretten mit Menthol sollen etwa
verschwinden. Die neuen Vorschläge würden für Zigaretten, losen Tabak
zum Selberdrehen und Lutschtabak gelten. Wenn Europaparlament und
EU-Staaten zustimmen, könnte dies ab 2015 gelten. Die Details:
Warum handelt die EU-Kommission ?
Jeder kennt die Kampagnen gegen das Rauchen, trotzdem qualmt immer
noch jeder Dritte in Europa. Laut Weltgesundheitsbehörde WHO sterben
knapp 700 000 Europäer pro Jahr an den Folgen des Tabakkonsums - das
entspricht der Einwohnerzahl der Stadt Frankfurt am Main. Rauchen
gilt als Auslöser für Krebs und Herzinfarkt und verursacht laut WHO
mehr Gesundheitsprobleme als Alkohol oder Drogen. Die Behandlung der
Folgen kostet in Europa jedes Jahr 25,3 Milliarden Euro.
Wie sollen Zigarettenschachteln künftig aussehen?
Abschreckend. Die EU-Kommission will 75 Prozent der Oberfläche von
Vorder- und Rückseite einer Packung für aufrüttelnde Warnhinweise
reservieren. Das ist fast doppelt so viel wie bisher. Für bunte
Wohlfühl-Werbung bliebe neben dem Markenlogo kein Platz.
Horror-Bilder sollen faulende Zähne oder eine krebszerfressene Lunge
zeigen. «Eine Zigarettenpackung soll aussehen wie ein Tabakerzeugnis
und nicht wie ein Kosmetikkoffer oder Süßigkeiten», sagt
EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg. Ausstiegswillige finden Hinweise
auf Hilfsangebote im Internet oder Hotlines direkt auf der Schachtel.
Was ändert sich bei den Inhaltsstoffen?
Bislang mildern Zusätze bei manchen Zigaretten den Tabakgeschmack ab.
Das erleichtert gerade jungen Rauchern den Einstieg. Die
EU-Kommission will deshalb Aromen wie Schoko oder Erdbeere ebenso
verbieten wie Farbstoffe für bunten Rauch. «Rauchen wird nicht
verboten, es soll nur weniger attraktiv werden», sagt Borg.
Was ist mit Helmut Schmidts geliebter Mentholzigarette?
Auf die müsste der Altkanzler verzichten. Die EU-Kommission will
Mentholzigaretten verbieten. In kleinen Mengen bleiben solche Stoffe
dagegen erlaubt, solange sie den Geschmack nicht bestimmen. Der
starke Mentholgeschmack richtet nach Worten des EU-Kommissars großen
Schaden an: «Dann inhaliert man viel stärker als bei Zigaretten ohne
Menthol.»
Bleiben Vitamine und Koffein erlaubt?
Nein. Untersagen will die Behörde auch Koffein, Taurin (das etwa der
Energydrink Red Bull enthält), Vitamine oder andere Stoffe, die
gesundheitsfördernde Wirkungen suggerieren. «Der Verbraucher darf
nicht betrogen werden: Tabakprodukte sollen aussehen und schmecken
wie Tabakprodukte», sagt Borg. Dennoch dürfen Hersteller weiter
minderwertigem Tabak aus Ländern wie Griechenland oder Rumänien durch
die Zugabe von Zucker geschmacklich verbessern.
Wie sehen Zigaretten künftig aus?
Sie werden einheitlicher. Der Durchmesser der Zigaretten soll
mindestens 7,5 Millimeter betragen. Die bei Frauen beliebten und
besonders dünnen Slim-Zigaretten dürften dann nicht mehr in der EU
verkauft werden. Unverändert will die Kommission dagegen die
geltenden Obergrenzen für den Nikotin- und Teergehalt lassen. Erlaubt
bleiben 1 Milligramm pro Zigarette Nikotin und 10 Milligramm Teer.
Was ist mit Pfeifentabak, Zigarren und Zigarillos?
Da ist die EU-Kommission weniger streng. Für diese Tabakprodukte
sieht sie keine Warnbilder und Aromaverbote vor. Die Begründung:
Rauchanfänger griffen seltener zu diesen starken Tabakwaren. Sollte
der Absatz dieser Produkte in den nächsten Jahren in die Höhe
schnellen, will die EU-Kommission aber nachlegen.
Was passiert mit dem Lutschtabak Snus?
Er bleibt in der EU verboten. Eine Ausnahme gilt nur für Schweden, wo
dieser Tabak sehr beliebt ist. Diese Regelung hat das Land vor seinem
EU-Beitritt 1995 extra ausgehandelt.
Hatte die EU-Kommission noch weiterführende Pläne?
Allerdings. Gedacht war an neutrale Einheitsverpackungen ohne eigenes
Markenlogo nach dem Vorbild Australiens. Dies ist - auch auf Druck
aus der Industrie - vom Tisch. EU-Staaten können aber auf eigene
Faust Einheitsschachteln vorschreiben. Ein anderer radikaler Plan
wurde indes aufgegeben, nämlich Zigaretten unter den Ladentisch zu
verbannen. Ein völliges Werbeverbot oder das Aus für
Zigarettenautomaten wurden ebenfalls nicht weiter verfolgt.
Wie reagiert die Tabakbranche?
Die Industrie hält die Pläne der EU-Kommission für überzogen. Sie
warnt vor einer «Gesundheitsdiktatur». Hersteller warnen, Brüssel
greife in den freien Wettbewerb ein. «Der Vorschlag tritt geltende
Markenrechte mit Füßen», sagte eine Sprecherin des
Zigarettenherstellers Reemtsma. Sie drohte mit einer Klage.
Wann wird das Gesetz kommen?
Beschlossen wird es voraussichtlich erst 2014. Wirksam würden die
Regeln laut EU-Kommission 2015 oder 2016. Bis dahin dürfte sich am
Inhalt aber noch einiges ändern, denn nun beraten Europaparlament und
Mitgliedsstaaten über die umstrittenen Vorschläge.