Euro-Höhenflug: Steckt die Welt im «Währungskrieg»? Von Jörn Bender und Harald Schmidt, dpa
11.02.2013 14:07
Frankfurt/Main (dpa) - Der gestärkte Euro treibt Unternehmen und
Investoren um, die Angst vor einem «Währungskrieg» steigt. Mit
wenigen Worten bremste EZB-Präsident Draghi den Trend vorerst. Doch
wieso hat die Währung des kriselnden Euroraums überhaupt zugelegt -
und wem schadet das?
Warum hat der Euro zuletzt deutlich an Wert gewonnen?
Für Europas obersten Währungshüter Mario Draghi ist klar: «Die
Aufwertung ist ein Zeichen der Rückkehr des Vertrauens in den Euro.»
Dazu kam die sehr lockere Geldpolitik in Japan und den USA: Die
dortigen Notenbanken öffneten ihre Geldschleusen extrem weit, machten
damit ihre Währungen extrem billig. Das funktioniert so: Investoren
verkaufen Wertpapiere in Dollar oder Yen (zum Beispiel an die
Zentralbank, die sie ihnen mit frisch gedrucktem Geld abnimmt) und
kaufen stattdessen welche in Euro. Als Konsequenz ändern sich die
Wechselkurse - die «Preise» für Währungen, die Angebot und Nachfrag
e
widerspiegeln.
Welche Ziele verfolgen die Notenbanken in den USA und Japan?
Draghi ist überzeugt: Es geht nicht um einen «Währungskrieg» ode
r
einen Wettlauf um die billigste Währung. Vielmehr seien die aktuellen
Wechselkursbewegungen ein Nebeneffekt der diversen Bemühungen, die
Wirtschaft anzuschieben. Allerdings ist der Ansatz der Notenbanken
teils völlig verschieden: Während Preisstabilität vorrangiges Ziel
der EZB ist, hat die US-Notenbank Fed explizit einen doppelten
Auftrag: Stabile Preise und möglichst hohen Beschäftigungsstand. «Man
löscht dann dort eben das Feuer, das am heißesten brennt», erklärt
Commerzbank-Notenbankexperte Bernd Weidensteiner. In Japan übte die
Regierung massiv Druck auf die Notenbank aus, die Geldschleusen noch
weiter zu öffnen - ein fatales Signal, wie Bundesbank-Präsident Jens
Weidmann meint: Die Unabhängigkeit der Zentralbank sei essenziell.
Wie reagiert die Europäische Zentralbank?
Bislang nur verbal. EZB-Präsident Draghi erklärte, die Notenbank
habe die Euro-Aufwertung als potenzielles Risiko für Konjunktur und
Geldwertstabilität im Auge. Die Folge: Der Euro-Kurs sackte um fast
zwei Cent zum Dollar ab. In einen «Währungskrieg» will sich die EZB
nicht hineinziehen lassen - auch weil geldpolitische Schritte zur
gezielten Euro-Abwertung Reformen der Krisenstaaten bremsen könnten.
«Bei einem Krieg gibt es immer nur Verlierer», sagte EZB-Direktor
Jörg Asmussen dem «Handelsblatt» (Montag). «Wenn andere Notenbanken
einen anderen Weg gehen, müssen wir dem nicht automatisch folgen.»
Wer profitiert von einem starken Euro?
Für Verbraucher in Deutschland bringt ein starker Euro mehrere
Vorteile: Urlaubsreisen in ferne Länder werden tendenziell günstiger,
ebenso wie der Sprit an der Tankstelle. Tendenziell werden alle
importieren Waren günstiger. Auch Unternehmen, die für ihre
Produktion Rohstoffe wie Erdöl einführen müssen, können preiswerter
einkaufen. Denn diese Rohstoffe werden in Dollar abgerechnet.
Wem schadet ein starker Euro?
Vor allem der deutschen Exportwirtschaft. Seit Sommer 2012 hat der
Euro zu vielen Währungen aufgewertet. Waren aus dem Euroraum werden
im außereuropäischen Ausland tendenziell teurer, das könnte die
konjunkturelle Erholung im Euroraum gefährden. Deutsche
Maschinenbauer spüren den stärkeren Euro bereits, weil ihre Produkte
gegenüber der Konkurrenz aus den USA oder Asien teurer werden. Doch
während sich deutsche Maschinen, Autos und Elektroprodukte auch über
guten Ruf und Qualität verkaufen, dürfte der erstarkte Euro vor allem
Euro-Krisenländern wie Griechenland, Portugal und Spanien zu schaffen
machen. Allerdings bezweifelt EZB-Direktoriumsmitglied Asmussen, dass
das Wechselkursthema entscheidend ist für die Wettbewerbsfähigkeit
dieser Länder: «Da geht es um Lohnstückkosten, Bürokratiekosten,
mangelnde Produktivität und überregulierte Produktmärkte.»
Ist der Euro gegenüber Dollar oder Yen schon überbewertet?
Laut Draghi bewegt sich der Euro in der Nähe seines langfristigen
Durchschnittswerts. 2008 hatte der Euro mal beinahe 1,60 US-Dollar
gekostet, 2003 weniger als 90 US-Cent. Glaubt man dem «Big-Mac-Index»
des Magazins «Economist», dann ist der japanische Yen gegenüber Euro
und US-Dollar noch unterbewertet. Der Index vergleicht den Preis für
den gleichen Burger in verschiedenen Währungsräumen. Demnach kostete
der Big Mac in den USA im Januar 4,37 Dollar, im Euroraum 4,88
Dollar, in Japan nur 3,51 Dollar. Bereinigt um die Wirtschaftskraft
pro Kopf ist der Burger damit in Japan um 17,1 Prozent zu billig, in
der Eurozone aber um 20,8 Prozent zu teuer. In Deutschland kostet der
Big Mac übrigens demnach «nur» 17,7 Prozent mehr als in den USA, in
Griechenland aber 28,1 Prozent, in Italien sogar satte 34,6 Prozent
mehr.