(Wiederholung mit korrekter Ressortkennung) (Zusammenfassung 1730) Pferdefleisch-Skandal erreicht neue Dimension - Arznei im Fleisch (Foto - aktuell und Grafik 18198)

14.02.2013 17:45

Ein neuer Lebensmittelskandal erschüttert Europa. Erste Arzneifunde
in Pferdefleisch nähren Sorgen über Gesundheitsrisiken. Der Kreis der
Betroffenen weitet sich aus. Lasagne verschwindet aus den
Supermarkt-Regalen.

Berlin/London (dpa) - Der europäische Pferdefleisch-Skandal hat
eine neue Dimension erreicht: In London gab es am Donnerstag erste
Hinweise auf Rückstände von Medikamenten in Pferdefleisch und in
Deutschland sind immer mehr Bundesländer und Unternehmen von dem
Fleisch-Skandal betroffen. Nach der Metro-Tochter Real entdeckte auch
die Supermarktkette Edeka Pferdefleisch in Fertiggerichten, die
eigentlich nur Rind enthalten sollten.

Tests der britischen Lebensmittelaufsicht ergaben, dass Fleisch
von drei mit dem Medikament Phenylbutazon gespritzten Pferden wohl in
die Nahrungskette geraten ist. Die geschlachteten Tiere wurden nach
Frankreich exportiert. Dort fielen Tests zunächst negativ aus, sagte
der britische Ernährungsstaatssekretär David Heath. Das Mittel wird
bei Pferden auch als Dopingmittel verwendet, bei Menschen kurzzeitig
gegen Rheuma. Das Gesundheitsrisiko für Menschen ist nach
Einschätzung der britischen Behörden aber nur gering.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte die
Justizbehörden zu Ermittlungen auf. «Wir haben es offenbar mit einem
bislang einmaligen Fall von Verbrauchertäuschung zu tun», sagte sie
in Berlin. «Man könnte fast sagen: Es ist eine echte Sauerei», sagte

Aigner im ARD-«Morgenmagazin».

In dem Tiefkühl-Produkt «Gut & Günstig Lasagne Bolognese» seien

bei Analysen in einzelnen Stichproben geringe Mengen Pferdefleisch
gefunden worden, sagte ein Edeka-Sprecher in Hamburg. Der Artikel sei
am Dienstag vorsorglich aus dem Verkauf genommen worden, nachdem der
Lieferant eine mögliche Beimischung von Pferdefleisch nicht
ausschließen konnte. Die beigemischte Menge liege bei einem bis fünf
Prozent.

Bereits am Mittwochabend hatte Real eine Tiefkühl-Lasagne
zurückgerufen, nachdem bei Stichproben Anteile von Pferdefleisch
entdeckt worden waren. «Jeder Kunde, der den Artikel in den Markt
zurückbringt, bekommt den Kaufpreis zurückerstattet», sagte ein
Unternehmenssprecher in Düsseldorf. Die Lasagne der Eigenmarke «Tip»

sei bundesweit in allen 316 Real-Märkten verkauft worden. Das
Unternehmen sehe sich «als Opfer einer vorsätzlichen Täuschung».

Kaiser's Tengelmann rechnet für diesen Freitag mit Ergebnissen der
eigenen Analysen für die aus dem Verkauf genommene
A&P-Tiefkühllasagne. Auch der Großhändler Markant teilte der
Nachrichtenagentur dpa mit, er habe vergangene Woche «vorsorglich
entsprechende Produkte aus dem Vertrieb sowie aus dem Verkauf bei den
belieferten Kunden genommen». Die Gesellschaft betreibt keine eigenen
Einzelhandelsgeschäfte.

In Baden-Württemberg wurde nach Angaben des dortigen
Verbraucherministeriums eine verdächtige Tiefkühl-Lasagne der Firma
Eismann aus dem Handel genommen. Ob in der Lasagne tatsächlich falsch
deklariertes Pferdefleisch enthalten ist, werde derzeit untersucht.
Das von dem Unternehmen vertriebene Produkt kam laut Ministerium über
NRW in den Südwesten.

Tiefkühl-Lasagne mit möglicherweise falsch deklariertem
Pferdefleisch wurde zudem in einem Lager in Brandenburg vorsorglich
sichergestellt. Auch hier gibt es eine Spur nach NRW: Von dort sei
das verdächtige Produkt über einen Großhändler nach Brandenburg
gelangt. In Niedersachsen wurde ein Kühlhaus geschlossen. Bayern
kündigte verschärfte Kontrollen an, hat aber bislang keine
Auffälligkeiten entdeckt.

NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) forderte eine
zentrale Internet-Plattform, um Verbraucher über verdächtige
Produkte, Rückrufaktionen und Pferdefleischfunde zu informieren. Er
warf dem Einzelhandel in einer Mitteilung «stille Rückrufaktionen» in

den vergangenen Tagen und Wochen vor.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sieht hinter dem
Pferdefleisch-Skandal «mafiöse Strukturen». Der Vizevorsitzende Bernd

Carstensen sagte der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post»
(Freitagausgabe), das Verschieben von Fleisch über mehrere Grenzen
hinweg erfordere einen großen Aufwand. «Dies nährt den Verdacht, dass

es sich um ein Geschäft der organisierten Kriminalität handelt.»

Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure sieht den
Verbraucherschutz in Deutschland grundsätzlich gewährleistet: «Die
Überwachung ist so stark wie noch nie», sagte Vorstand Manfred Woller
der dpa. Die Verbraucherorganisation foodwatch forderte hingegen
schärfere Kontrollsysteme.

Die EU-Kommission will mit DNA-Tests wirksamer gegen falsch
deklariertes Fleisch vorgehen. Die ersten 2500 Gentests könnte es den
Plänen zufolge im März geben, etwa 200 davon in Deutschland. Um
sicherzustellen, dass Verbraucher mit dem Fleisch keine
Pferdemedikamente zu sich nehmen, will die EU-Kommission eine
Testreihe zu Phenylbutazon vorschlagen, das auch als Doping-Mittel im
Pferdesport verwendet wird.