Kazmierczaks Enkelin - Angela Merkels polnische Wurzeln Von Christoph Sator, dpa

22.04.2013 16:13

Die Kanzlerin hätte auch als Angela Kazmierczak zur Welt kommen
können. «Zu einem Viertel polnisch», sagt Merkel über sich. Viel
Aufhebens will sie darum nicht machen - auch wenn Polens
Regierungschef warnt, dass Großväter wahlentscheidend sein können.

Berlin (dpa) - Mit ihrem Stammbaum hat sich Angela Merkel nie groß
beschäftigt. Für solche Dinge ist in der Familie der Kanzlerin eher
ihr jüngerer Bruder zuständig. Neuerdings muss Merkel aber doch
häufiger Auskunft über ihre Vorfahren geben - seit herauskam, dass
sie einen polnischen Großvater namens Ludwig Kazmierczak hatte,
geboren 1896 in Posen (heute: Poznan), der seinen Nachnamen später
eindeutschen ließ. Andernfalls wäre die Kanzlerin nicht als Angela
Kasner, sondern als Angela Kazmierczak auf die Welt gekommen.

Von der Tatsache, dass sie «zu einem Viertel polnisch» ist, hatte
Merkel früher schon berichtet. Aber erst durch eine neue Biographie
des Journalisten Stefan Kornelius («Angela Merkel. Die Kanzlerin und
ihre Welt») wurde die Familiengeschichte größer publik. In Polen
löste sie sogar riesiges Interesse aus - bis hin zu einer Einladung
des pensionierten Buchhalters Zygmunt Rychlicki, ein Cousin zweiten
Grades, doch mal persönlich bei ihm in der Kosmonautensiedlung von
Posen vorbeizuschauen.

So weit ging die CDU-Vorsitzende dann nicht. Zumindest aber -
ungewöhnlich genug - war Merkel am Montag bei der Vorstellung des
Buchs selbst dabei, gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten
Donald Tusk. Offiziell war das ein «Gespräch über Europa» mit der
Kernfrage, wie der Kontinent trotz Euro-Krise im Wettbewerb mit den
anderen großen Volkswirtschaften bestehen kann.

Merkel wehrte sich einmal mehr gegen den Vorwurf, dem Rest der EU
ein deutsches «Spardiktat» aufdrücken zu wollen. «Ich bin überhau
pt
nicht die Frau, die immer sagt: "Man muss nur sparen."» Wichtig seien
auch echtes Wachstum und Strukturreformen. Tusk stand ihr mit den
Worten bei: «Die Frau Bundeskanzlerin ist leider häufig Opfer eines
aggressiven Widerstands.» Im Nachbarland - das den Euro noch nicht
hat, aber weiterhin einführen will - wurde Merkel eben erst zur
beliebtesten ausländischen Politikerin gekürt.

Naturgemäß warteten die meisten bei der Buchvorstellung aber
darauf, dass die Kanzlerin mehr von ihrer Familiengeschichte
berichten werde. Merkel blieb jedoch bei der Zurückhaltung, die ihr
in solchen Dingen eigen ist. Auf die Frage nach den polnischen
Wurzeln meinte sie eingangs nur: «In Europa ist das ja immer hin und
her gegangen.»

Dann berichtete die Protestantin Merkel aber doch, dass sie außer
den polnischen auch noch katholische Wurzeln hat: Ihr Vater Horst
Kasner (geborener Kazmierczak) wurde sogar noch katholisch getauft
und erst evangelisch konfirmiert. 1954, kurz nach der Geburt der
ersten Tochter, ging Kasner dann als Pastor in die DDR. Merkel fasste
diesen Teil der Familiengeschichte so zusammen: «Das mit dem
Katholischen hat sich erst mal verdrängt.»

Dabei ist gerade Tusk Beispiel dafür, wie sehr es bei Politikern
auf die Familienbiographie ankommen kann. Sein Vorhaben, polnischer
Präsident zu werden, scheiterte 2005 maßgeblich daran, dass sein
kauschubischer Großvater Jozef Tusk als einer von Millionen
zwangsgermanisierten Polen im Zweiten Weltkrieg bei der Wehrmacht
gedient hatte.

«Die Großväter spielen manchmal eine große Rolle bei Wahlen»,

berichtete er Merkel am Montag von seinen leidvollen Erfahrungen.
«Meiner hat mir nicht so geholfen. Ich hoffe, Deiner wird kein
Hindernis sein für die anstehende Bundestagswahl.» Auch hier fiel
Merkels Antwort eher kurz aus: «Bis jetzt ist das nicht absehbar.»

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## Service
- Stefan Kornelius - Angela Merkel. Die Kanzlerin und ihre Welt,
Hoffmann und Campe, 288 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 978-3-455-50291-6

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