EU-Verfahren wegen Hauptstadtflughafen - Neuer Rückschlag ? Von Martina Herzog, Burkhard Fraune und Bernd Röder, dpa

30.05.2013 18:17

Brüssel/Berlin (dpa) - Die EU-Kommission hat wegen der Flugrouten
des künftigen Hauptstadtflughafens ein Verfahren gegen Deutschland
eröffnet. Grund sind Beschwerden über fehlende
Umweltverträglichkeitsprüfungen. Das deutsche Recht genüge
möglicherweise nicht europäischen Standards, bemängelt Brüssel.

Was beanstandet Brüssel?

Brüssel kritisiert, das deutsche Gesetze nicht in allen Teilen der
EU-Umweltgesetzgebung entsprechen. Dabei geht es um die Pflicht zu
Umweltverträglichkeitsprüfungen. Die Kommission hat Beschwerden
erhalten, dass die Behörden bei der Änderung der ursprünglich
geplanten Flugrouten am Berliner Hauptstadtflughafen im Januar 2012
nicht erneut die Folgen für Natur und Umwelt geprüft haben - solche
Prüfungen habe es nur bei der ursprünglichen Routenplanung 2004
gegeben.

Das Verfahren richtet sich nicht unmittelbar gegen die
Routenplanung des Hauptstadtflughafens, sondern gegen die deutsche
Gesetzgebung. Eine geänderte deutsche Gesetzgebung würde aber nicht
rückwirkend gelten, erläuterte die EU-Kommission auf Anfrage.

Einige der 2012 vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung
beschlossenen Routen führen über Seen in Berlin und Brandenburg.
Beschwerdeführer aus der Region, die sich an die EU-Kommission
wandten, fürchten Lärm und Abgase.

Wie läuft ein EU-Vertragsverletzungsverfahren ab?

Die EU-Kommission wacht darüber, ob die Staaten europäisches Recht
einhalten. Vermutet sie einen Verstoß, leitet sie ein mehrstufiges
Vertragsverletzungsverfahren ein. Zuerst sendet die Brüsseler Behörde
einen Brief in die jeweilige Hauptstadt. Darin räumt sie der
Regierung eine Frist zur Stellungnahme ein, häufig zwei Monate, so
auch in diesem Fall. Wenn sich Kommission und Land nicht einigen,
schickt Brüssel einen zweiten Brief und stellt dem Land ein
Ultimatum, um den mutmaßlichen Missstand zu beheben. Als letztes
Mittel kann der Europäische Gerichtshof Zwangsgelder verhängen.

Bringt das Verfahren den Flughafen in zusätzliche Zeitnot?

Nein. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) hat im Januar
2012 die Flugrouten des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg
festgelegt. Diese Rechtsverordnung bleibt so lange gültig, bis sie
geändert oder ersetzt wird.

Am Ende des Vertragsverletzungsverfahrens könnte eine neue Prüfung
der Routen unter dem Umweltaspekt stehen. «Es könnte sein, dass alles
bleibt, wie es ist», sagt der Sprecher der Deutschen Flugsicherung,
Axel Raab. Möglich sei aber auch, dass einige Flugrouten geändert
werden müssten.

«Das kann dann ein langer Prozess sein», sagt Raab. Die
Fluglärmkommission aus Vertretern betroffener Gemeinden und
Luftfahrtunternehmen müsse dann erneut über das Routennetz beraten.
Das BAF würde die neuen Routen schließlich nochmals prüfen und
festlegen.

Bei einer Öffnung des Flughafens in mehreren Schritten, wie von
Flughafenchef Hartmut Mehdorn angestrebt, könnte es jedoch Probleme
geben. Denn dann bliebe der alte Berliner Flughafen Tegel erst einmal
offen - anders als bisher geplant. Zugleich starteten Maschinen vom
neuen Airport in Schönefeld. «Die Flugrouten harmonieren dann nicht
mehr untereinander», sagt Raab.

Was sagen die Gerichte in Berlin zu den Flugrouten?

Im Januar 2013 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
die umstrittene Route über den Wannsee im Südwesten Berlins gekippt.
Begründung: Die Strecke führe zu nah an einem atomaren
Forschungsreaktor vorbei. In zwei Wochen befindet dasselbe Gericht
über die geplanten Überflüge des Müggelsee im Osten Berlins.