Kroatien wird 28. EU-Mitglied - Erster Konflikt mit Brüssel

28.06.2013 18:01

Im kroatischen Staatsfernsehen läuft der Countdown bis zum
EU-Beitritt am Sonntag um Mitternacht. Noch vor dem Startschuss legt
sich das Adrialand mit Brüssel an - und mit Deutschland. Zankapfel
ist die Auslieferung von Straftätern.

Zagreb (dpa) - Kroatien wird das 28. Mitglied der Europäischen
Union (EU). Am Sonntag um Mitternacht werden die Zollschranken und
Grenzkontrollen zu den Nachbarn Italien, Slowenien und Ungarn
gelockert. Das Adrialand wird damit vollberechtigter Teil der Union.

Unmittelbar zuvor legte sich Kroatien am Freitag mit Brüssel und
Deutschland an. Das Parlament in Zagreb verabschiedete ein
umstrittenes Gesetz, das die Auslieferung von Kroaten auf Straftaten
begrenzt, die ab August 2002 begangen wurden.

Der von den deutschen Strafverfolgungsbehörden gesuchte ehemalige
kroatische Geheimdienstchef Josip Perkovic bliebe damit unbehelligt.
Er soll noch zu jugoslawischen Zeiten 1983 den Mord an einem
Dissidenten in Bayern in Auftrag gegeben haben. Das Gesetz steht in
klarem Widerspruch zu europäischem Recht, wie es Kroatien schon vor
Jahren in den Beitrittsverhandlungen akzeptiert hatte.

Die 4,4 Millionen Bürger schwanken zum EU-Beitritt zwischen
freudiger Erwartung und Befürchtungen, berichten die heimischen
Medien seit Monaten. Erwartet wird durch Konkurrenz aus den
EU-Ländern eine deutliche Senkung der hohen Preise zum Beispiel für
Lebensmittel oder Strom. Sorge bereitet ein möglicher Ansturm reicher
Ausländer auf die attraktivsten Grundstücke an der weit über 1000
Kilometer langen Küste. Auch ein «Ausverkauf der Wirtschaft» wird
immer wieder als Gespenst an die Wand gemalt.

Obwohl Kroatien alle Auflagen der EU-Kommission erfüllt hat,
bringt es viele ungelöste Probleme mit nach Brüssel. Die
verlustreichen Staatsbetriebe und die marode und politisch gegängelte
öffentliche Verwaltung gehören ebenso dazu wie die weit verbreitete
Korruption und die vor dem Zusammenbruch stehenden Sozialsysteme.
Schließlich stehen nach Angaben des Finanzministeriums 1,3 Millionen
Beschäftigten eine gleich hohen Zahl an Rentnern gegenüber.

Weil die Staatskassen leer sind und sich nur wenige Sponsoren
fanden, fallen die Feiern am Sonntag mager aus. Die Offiziellen -
allen voran die Staats- und Regierungsspitzen der Nachbarländer und
die EU-Spitzen - bleiben weitgehend unter sich. Bundeskanzlerin
Angela Merkel wird bei den Feiern fehlen. «Ich freue mich wirklich
von ganzem Herzen, dass Kroatien Mitglied der Europäischen Union
wird, aber manchmal gibt es terminliche Probleme», sagte Merkel in
Brüssel.

Das Volk wird auf dem Ban Jelacic-Platz im Zentrum der Hauptstadt
mit Volksgruppen und Popbands feiern. Um Mitternacht sprechen dann
Staatspräsident und Regierungschef zu ihren Bürgern, dann folgt eine
lange Liste mit ausländischen Rednern. Nach dem Feuerwerk ist
offiziell schon Schluss.