Dutzende Geheimdienstmorde rücken wieder ins Rampenlicht Von Thomas Brey, dpa

06.08.2013 15:08

Die Mordserie des jugoslawischen Geheimdienstes liegt größtenteils im
Dunkeln. Das soll durch die Auslieferung des kroatischen Ex-Agenten
Perkovic nach Deutschland anders werden. Doch Zagreb will das unter
allen Umständen verhindern.

Zagreb (dpa) - Der jugoslawische Geheimdienst UDBA folgte bei
seinen Mordanschlägen immer dem gleichen Muster. Der Agent flog ein,
nahm einen Leihwagen, lauerte dem Opfer auf, feuerte ein ganzes
Pistolenmagazin ab und saß wenig später wieder auf dem Rückweg im
Flugzeug. Ganz untypisch im Fall des Dissidenten Nikola Stedul 1988
in Schottland war: Das Opfer überlebte wie durch ein Wunder, und der
Schütze Vinko Sindicic wurde aus der Maschine geholt und später
verurteilt.

Die kroatische Zeitung «Vecernji list» hat 69 UDBA-Morde zwischen
1946 und 1989 gezählt. Allein 37 wurden in Deutschland verübt. Die
Opfer waren antikommunistische Dissidenten, Rechtskonservative oder
Albaner, die gegen die Serben Stimmung machten. Manchmal sollen sie
auch Anschläge in ihrer alten Heimat geplant haben. Die allermeisten
dieser Morde und daneben viele Mordversuche blieben im Dunkeln.

«Auch heute noch haben die Familien immer noch vor den
Geheimdiensten Angst», sagt Rechtsanwalt Davor Prtenjaca, dessen
Kanzlei in Böblingen einige Angehörige der Mordopfer vertritt: «Sie
wollen ihre Namen nicht in der Öffentlichkeit sehen, wollen
öffentlich nicht über damals reden.» Zahlreiche Anwälte versuchen
seit Jahrzehnten, für die Nachkommen Schadenersatz zu bekommen.
Vergeblich. Bis heute stellen sich auch die jugoslawischen
Nachfolgestaaten - allen voran Kroatien und Serbien - taub.

Das soll jetzt anders werden. Der Hebel wird beim jüngsten
EU-Mitglied Kroatien angesetzt. Das Land soll den pensionierten
Geheimdienstgeneral Josip Perkovic ausliefern, der vom deutschen
Generalbundesanwalt gesucht wird. Er soll für den Mord an dem
kroatischen Dissidenten Stjepan Djurekovic 1983 im bayrischen
Wolfratshausen verantwortlich sein. Der Körper des Mannes wurde in
einer Druckerei gefunden. Er war auch mit Hilfe einer Schere
regelrecht massakriert worden. Auftraggeber des Mordes soll Perkovic
gewesen sein.

Der bestreitet jede Schuld und behauptet, die Mordaufträge seien
in Belgrad und nicht in Zagreb ausgegeben worden. Demgegenüber sind
sich die deutschen Behörden ebenso wie verschiedene Opferanwälte
ziemlich sicher, dass zu jugoslawischen Zeiten Zagreb auf die
kroatischen und Belgrad auf die serbischen und albanischen
Regimefeinde angesetzt waren.

Weil Geheimdienstmann Perkovic nach jahrzehntelanger Karriere viel
weiß über Morde, Waffenhandel und andere kriminelle Machenschaften,
will das EU-Mitglied Kroatien ihn auf keinen Fall ausliefern.
Deutschland könnte mit dem Wissen des Agenten die kroatische
Regierung erpressen, begründeten mehrere ihrer Vertreter hinter
vorgehaltener Hand. «Wir lassen aber nicht locker!», deutet der
CDU-Außenpolitiker Gunther Kriechbaum ein längeres Tauziehen zwischen
Brüssel/Berlin und Zagreb an.