Union und SPD wollen Ergebnisse zu Europapolitik beschließen

29.10.2013 17:14

In Trippelschritten zur großen Koalition: Erstmals kommt die Union an
diesem Mittwoch zur SPD ins Willy-Brandt-Haus. Nach dem Abtasten
sollen nun erste Entscheidungen zum Kapitel Europapolitik fallen.

Berlin (dpa) - Eine Woche nach Beginn der Koalitionsverhandlungen
wollen Union und SPD erste Ergebnisse festzurren - darunter die
Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die rund 75 Verhandler
beider Seiten treffen sich an diesem Mittwoch in der SPD-Zentrale zu
ihrer zweiten Runde. Im Fokus des auf rund zwei Stunden angesetzten
Treffens stehen Beschlüsse für eine gemeinsame Europapolitik. Bei
einer großen Koalition soll eine Einmischung der EU-Kommission bei
der Daseinsvorsorge, etwa Druck für eine verstärkte Privatisierung
der Wasserversorgung, verhindert werden - inzwischen gestoppte Pläne
der EU-Kommission hatten in Deutschland viel Protest hervorgerufen.

Vor der für 12.00 Uhr geplanten großen Runde tagen Union und
SPD getrennt voneinander im Willy-Brandt-Haus. Inzwischen haben fast
alle zwölf Arbeitsgruppen und vier Unterarbeitsgruppen ihre Arbeit
aufgenommen. Am weitesten kam dabei die Unter-AG Bankenregulierung,
Europa, Euro, deren Eckpunkte nun als erste von der großen Runde
verabschiedet werden könnten. Nach und nach sollen Einzelergebnisse
der AGs von der großen Runde beschlossen werden, um nicht alles in
der Schlussrunde Ende November abarbeiten zu müssen.

Anschließend sollen die rund 470 000 SPD-Mitglieder über den
Koalitionsvertrag per Briefwahl abstimmen. Mehrere Landesverbände der
SPD berichteten von Hunderten Neueintritten seit Bekanntwerden der
Pläne für ein Mitgliedervotum. Geht es positiv aus, könnte Kanzlerin

Angela Merkel (CDU) Mitte Dezember wiedergewählt werden.

Union und SPD wollen negative Folgen einer europäischen
Finanztransaktionssteuer für Kleinanleger, Unternehmen und
Altersversorgung vermeiden. Aber «unerwünschte Formen von
Finanzgeschäften» sollen zurückgedrängt werden. «Wir wollen eine

Finanztransaktionssteuer mit breiter Bemessungsgrundlage und
niedrigem Steuersatz zügig umsetzen», heißt es in dem Eckpunktepapier

für die große Koalitionsrunde.

Umstritten bleiben die angestrebte europäische Bankenunion und ein
von der SPD geforderter Schuldentilgungsfonds, um Druck von
hochverschuldeten Euro-Ländern zu nehmen. Schon länger ist bekannt,
dass Deutschland die umstrittene Finanztransaktionssteuer zusammen
mit zehn weiteren EU-Staaten einführen will. Die Verhandlungen
stocken aber. Union und SPD wollen den Druck für die Einführung
erhöhen. Mit den Einnahmen aus der Finanzsteuer könnten unter anderem
Vorhaben zur Förderung von mehr Wachstum, Beschäftigung sowie mehr
Wettbewerbsfähigkeit in Europa finanziert werden.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will ihre dritte Amtszeit nutzen, um
mit der SPD als möglichem Koalitionspartner Reformen in Europa
voranzutreiben. «Das europäische Einigungswerk bleibt die wichtigste
Aufgabe Deutschlands», heißt es in den Eckpunkten. Solide und
nachhaltig tragfähige Finanzen müssten mit Wachstum und Beschäftigung

sowie die notwendige Eigenverantwortung der Staaten mit europäischer
Solidarität und Demokratie zusammengebracht werden.

Union und SPD pochen aber darauf, dass sich die EU «vor allem auf
die großen Zukunftsaufgaben konzentrieren» müsse. Eine verstärkte
Privatisierung etwa der Wasserversorgung wollen Union und SPD
verhindern. «Wir werden jeder weiteren Einschränkung der
Daseinsvorsorge durch EU-Politiken offensiv entgegentreten», heißt es
im Papier. Nationale, regionale und lokale Besonderheiten der
öffentlichen Daseinsvorsorge dürften durch die europäische Politik
nicht ausgehebelt werden.

Eine Neufassung der EU-Richtlinie für öffentliche Ausschreibungen
hatte Befürchtungen ausgelöst, eine verstärkte Privatisierung bei der

Wasserversorgung zu ermöglichen. Eine EU-Bürgerinitiative sammelte
rund 1,5 Millionen Unterschriften gegen die Wasserprivatisierung -
daraufhin weichte die EU-Kommission ihre Pläne auf. Nun soll es keine
Ausschreibung der Wasserversorgung geben, wenn etwa ein Stadtwerk
mindestens 80 Prozent seines Umsatzes in der Heimatkommune macht.

Bei den Arbeitsgruppen gab es noch keine Einigung in Sachen
Pkw-Maut. Der amtierende Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU)
sagte zu der von der CSU verlangten Pkw-Maut für Ausländer, es solle
keine Zusatzbelastungen für die Halter von in Deutschland
zugelassenen Autos geben. Auch in der AG Gesundheit gab es wie
erwartet Uneinigkeit. «Wie geben das wichtige Thema
Bürgerversicherung vorab nicht auf», sagte der SPD-Verhandlungsführer

Karl Lauterbach. Die Union lehnt das ab. Eine Annäherung gab es
dagegen in der Arbeitsgruppe Innen, die SPD rechnet mit einer
Einigung bei der doppelten Staatsbürgerschaft.