Griechenland zweifelt noch am Flüchtlingsabkommen Von Takis Tasfos, dpa

09.12.2013 14:38

Die griechisch-türkischen Grenzerfahrungen sind nicht unbedingt die
besten. Nun soll auf Betreiben der EU ein ehrgeiziges
Flüchtlingsabkommen umgesetzt werden.

Athen (dpa) - Auf der griechischen Ostägäisinsel Chios in
Blickweite zum türkischen Festland treffen die Pläne der Europäischen

Union noch auf Skepsis. «Das EU-Rückführungsabkommen für illegale
Migranten mit der Türkei ist eine tolle Sache», sagt ein Offizier der
griechischen Küstenwache mit ironischem Unterton. «Nur wer setzt das
in die Tat um? Die in Brüssel haben keine Ahnung, was hier los ist.»
Die Einigung auf ein Abkommen zur Rückübernahme illegaler Migranten,
das am 16. Dezember in Ankara zwischen der Türkei und der EU
unterzeichnet werden soll, lässt noch manche Fragen offen.

Die Vereinbarung kam auch zustande, weil zugleich Verhandlungen
über die von Ankara seit langem geforderte Aufhebung der Visapflicht
für Türken bei der Einreise in die EU begonnen werden. Doch die
bisherigen Erfahrungen auf griechischer Seite sind nicht so gut. «Ein
seit fast zehn Jahren geltendes bilaterales Rückführungsabkommen hat
die Türkei leider bislang nicht so berücksichtigt, wie es auf dem
Papier stand», sagt ein Sprecher des Außenministerium in Athen der
Nachrichtenagentur dpa.

In den vergangenen Wochen sind aus der Türkei mehr als 300
Migranten in morschen Kähnen und Schlauchbooten auf den Inseln der
Ostägäis aufgegriffen worden. Die Türkei nahm in den letzten Jahren
aber nur etwa zehn Prozent dieser Menschen wieder auf, klagt der
Offizier der Küstenwache. Das Verfahren sei bürokratisch kompliziert.
Es dauere Monate und manchmal Jahre, bis ein Flüchtling von der
Türkei als sogenanntes sicheres Drittland wieder aufgenommen wird.

«Wir hoffen, dass es besser wird», sagte der Sprecher des
Außenministeriums, Konstantinos Koutras. Die EU lockt mit einer
stufenweise Aufhebung der Visumspflicht für türkische Bürger. Diesmal

ist die sogenannte «Win-Win-Situation» verlockend für Ankara, heißt

es in Athen.

Menschenrechtsorganisationen und EU-Behörden kritisieren
unmenschliche Verhältnisse in griechischen Aufnahmelagern. Zudem
wurde der griechischen Marine vorgeworfen, mit gefährlichen Manövern
wiederholt Flüchtlingsboote zum Kentern gebracht zu haben. Außerdem
untersuche das Land die Anträge von Asylsuchenden nicht gründlich
genug und weise Flüchtlinge im Schnellverfahren aus.

Mittlerweile hat sich im von der Finanzkrise erschütterten
Griechenland eine dramatische Lage ergeben: Jeder zehnte Einwohner
ist ein Ausländer. Athen hat in den vergangenen 15 Jahren mehr als
700 000 Einwanderer legalisiert. Menschenrechtsorganisationen
schätzen, dass weitere 300 000 bis 500 000 Menschen illegal im Land
leben. Die Kleinkriminalität hat nach Angaben der Polizei deutlich
zugenommen. Ganze Stadtviertel haben sich in Ghettos verwandelt.
Weniger als ein Prozent der Antragsteller bekommt noch Asyl.

Rechtsradikale Kräfte wie die neonazistische «Goldene Morgenröte
»
haben sich den «Rauswurf der Migranten» auf die Fahne geschrieben.
Die Rechtsextremisten stehen Umfragen zufolge mit acht bis zehn
Prozent als drittstärkste Kraft da. «Es ist kritisch. Wenn nicht bald
eine Lösung gefunden wird, könnte es zur Explosion kommen», warnt
eine Mitarbeiterin der Organisation Caritas in Athen.