Schwere politische Turbulenzen beim Euro-Sorgenkind Slowenien Von Thomas Brey, dpa

07.04.2014 09:03

Die Regierungskoalition im angeschlagenen Euroland Slowenien wackelt.
Jetzt soll eine Vertrauensabstimmung im Parlament alle politischen
Schwierigkeiten lösen. Doch das ist mit vielen Risiken behaftet.

Ljubljana (dpa) - Monatelang hatte die slowenische
Regierungschefin Alenka Bratusek mit einem Interview-Marathon in
westlichen Medien Optimismus verbreitet. Das angeschlagene Euroland
sei dank der zupackenden Notmaßnahmen ihrer Regierung über den Berg.
Doch jetzt ist alles ganz anders. Nach politischen Querelen «ist die
Einheit der Koalition schwer erschüttert», analysierte die
Nachrichtenagentur STA vor wenigen Tagen in Ljubljana. Bratusek
selbst sieht ihre Position in der eigenen PS-Partei bedroht. Sie will
mit einem Sonderparteitag und einer Vertrauensabstimmung im Parlament
den Gordischen Knoten durchschlagen, kündigte sie an.

Das Verfassungsgericht hatte die Immobiliensteuer als zentralen
Teil des Sanierungskonzeptes gekippt. Sie verstoße in mehreren
Punkten gegen die Verfassung, lautete die Begründung. Zwar hatte die
Koalition am Sonntag statt der erwarteten 200 Millionen Euro aus
dieser Steuer andere Finanzquellen aufgetan. Doch müssen höhere
Tabak- und Alkoholsteuern sowie Einsparungen im öffentlichen Sektor
erst noch auf den Weg gebracht werden. Ob und in welchem Maße sie
dann noch im laufenden Jahr greifen können, ist offen.

Politische Instabilität kann der kleine Alpen- und Adriastaat mit
zwei Millionen Einwohnern nicht brauchen. Die in der vergangenen
Woche vom Statistikamt vorgelegten Budgetzahlen waren auf den ersten
Blick alarmierend. Danach hat das Defizit im letzten Jahr mit knapp
5,2 Milliarden Euro 14,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP)
betragen. Hervorgerufen wurde das sprunghaft angestiegene Minus durch
die Rettung des schwer gebeutelten staatlichen Bankensektors.

Ohne diese von Brüssel abgesegneten Sonderzahlungen betrug das
Defizit 1,5 Milliarden Euro oder 4,4 Prozent des BIP - immer noch
deutlich über der erlaubten Marke von maximal 3 Prozent. Die
staatlichen Schulden stiegen im letzten Jahr um sechs Milliarden auf
jetzt gut 25 Milliarden Euro. Das entspricht 71,7 BIP-Prozenten. Auch
hier wird die eigentlich maximal erlaubte Marke von 60 Prozent
überschritten. Slowenien benötigt eine starke Regierung, um die
negativen Wirtschaftstrends umzukehren. Das soll vor allem mit der
Privatisierung des überdimensionierten Staatssektors gelingen.

Innenminister Gregor Virant, mit seiner Bürgerliste (DL)
wichtigster Koalitionspartner Bratuseks, überstand am vorigen Freitag
im Parlament ein Misstrauensvotum wegen günstiger Privatflüge mit der
staatlichen Fluggesellschaft. Doch die PS von Bratusek boykottierte
die Abstimmung. Virant ließ offen, wie er auf «diese ungewöhnliche
Botschaft» reagieren wird.

Noch größeren Ärger hat die Regierungschefin in ihrer eigenen
Partei «Positives Slowenien» (PS). Der Parteigründer und
Bürgermeister der Hauptstadt Ljubljana, Zoran Jankovic, der ihr vor
einem Jahr wegen Korruptionsvorwürfen kommissarisch den Parteivorsitz
überlassen hatte, will nach Medienberichten wieder zurück auf Platz
eins. Er habe bereits mit PS-Abgeordneten mit diesem Ziel Kontakte
aufgenommen, hieß es weiter.

Die 44-Jährige, die aus dem politischen Nichts an die Partei- und
Regierungsspitze katapultiert worden war, will kämpfen. Sie plant
noch vor den Europawahlen Ende Mai einen außerordentlichen Parteitag.
Dort soll ihr einstiger Förderer und heutiger Widersacher Jankovic
ausgebootet werden. Die größte Zeitung «Delo» begrüßte die Kl
ärung.
Doch könne Bratuseks Versuch, klare Verhältnisse zu schaffen, schnell
außer Kontrolle geraten. Auch «Vecer» in der Stadt Maribor sieht ein

«Alles-oder-nichts-Risiko».