Freie Fahrt - Brüssel hilft bei Mega-Verkehrsprojekten in Thüringen Von Simone Rothe, dpa

21.05.2014 08:29

Nirgendwo sonst in Deutschland gab es in den vergangenen Jahren so
viele Explosionen wie in Thüringen. Mineure trieben gewaltige
Autobahn- und ICE-Tunnel durch die Berge. Von der EU kam mehr als das
Geld für Zündschnüre.

Erfurt (dpa) - Es ist eine Autobahn der Superlative: Der längste
deutsche Straßentunnel mit fast acht Kilometern, riesige Brücken und
Baukosten von bisher mehr als zwei Milliarden Euro. Die 220 Kilometer
lange A71 - sie verbindet Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern - ist
im Abschnitt durch den Thüringer Wald «von den Kilometerkosten die
teuerste Autobahn Deutschlands», sagt der Geschäftsführer der
Bundesfernstraßenbaugesellschaft Deges, Dirk Brandenburger. «Ein
Projekt, das wegen der Ballung von Brücken und Tunneln absolut heraus
sticht.» Ohne Geld aus Brüssel wäre die teure A71 möglicherweise f
ür
längere Zeit Stückwerk geblieben.

Gebaut wird seit dem Start vor fast 20 Jahren jetzt nur noch an einem
11,3 Kilometer langen Abschnitt nördlich von Erfurt. Der nördliche
Teil der Trasse - etwa 70 Kilometer zwischen der Thüringer
Landeshauptstadt und dem Autobahnkreuz Südharz in der Nähe von
Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) - wird anders als der südliche auch mit
Geld aus Brüssel finanziert.

«Ohne europäische Mittel hätten wir Schwierigkeiten bekommen, mit dem

nördlichen Teil der Autobahn überhaupt zu beginnen», sagt Thüringen
s
Verkehrsminister Christian Carius (CDU). Dabei sei die schnelle
Verkehrsanbindung extrem wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung
dieses eher strukturschwachen, ländlich geprägten Landesteils.

«Viele Unternehmensansiedlungen sind überhaupt erst in Erwartung auf
die Autobahnanbindung gekommen», sagt Sömmerdas Bürgermeister Ralf
Hauboldt (Linke). «Jetzt muss aber auch der Lückenschluss vollzogen
werden. Die fehlenden elf Kilometer machen uns arge Sorgen.» Sie
sollen wegen Problemen mit dem Baugrund erst im Sommer 2015 gebaut
sein. Damit verzögert sich die Fertigstellung des Gesamtprojekts A71
um ein halbes Jahr.

Nicht nur in Thüringen, auch in anderen ostdeutschen Ländern wurde
viel EU-Geld auch für Verkehrsprojekte eingesetzt, die sonst Sache
des Bundes sind, berichten Fachleute. In den nördlichen Teil der A71
fließen rund 224 Millionen Euro der EU. Das ist fast die Hälfte der
geschätzten Gesamtkosten.

Der Nordteil der A71 ist mit dem nur rund 1,7 Kilometer langen
Schmücketunnel nicht so aufwendig wie der südliche. Richtung Bayern
wurden neben dem gewaltigen Rennsteigtunnel weitere fünf Tunnel auf
einer Gesamtlänge von gut 14 Kilometern durch das Gebirge getrieben -
die Baustellen waren jahrelang ein Dorado der Sprengmeister.

Thüringen setzt auch bei einem zweiten Mega-Projekt Geld aus Brüssel
ein: der ICE-Trasse von Berlin über Erfurt nach München. Damit die
Strecke, die allein zwischen dem bayerischen Ebensfeld und Erfurt 22
Tunnel hat, endgültig 2017 fertig wird, steckt der Freistaat 239
Millionen Euro seiner EU-Gelder in das Projekt, sagt Ingo Mlejnek vom
Verkehrsministerium. «In der neuen EU-Förderperiode seit 2014 ist das
nicht mehr möglich.»

Thüringen gehörte bis zum Vorjahr wie ganz Ostdeutschland zu den
Regionen, die wegen ihrer niedrigen Wirtschaftskraft die höchsten
EU-Fördersätze bekamen. «Der finanzielle Rückenwind der EU hat
Thüringens Entwicklung in den letzten Jahren enorm beschleunigt»,
bilanziert Wirtschaftsminister Uwe Höhn (SPD).

Mit knapp 1,5 Milliarden Euro seit 2007 allein aus dem Europäischen
Regionalfonds sei viel bewegt worden. EU-Mittel stecken in
Industrieansiedlungen mit 8500 neuen Jobs, in Hochschulbauten,
Hochwasserschutz, Kläranlagen oder Qualifizierungsangeboten für
Arbeitslose. Höhn sagt: «Ohne die EU würde Thüringen heute nicht so

gut dastehen.» Und schlechter erreichbar sein.