Kein Schlingern mehr - Stabilisierungshilfe im Auto wird Pflicht Von Annika Graf, dpa

31.10.2014 10:29

Das Elch-Test-Debakel der Mercedes-A-Klasse dürfte vielen noch in
guter Erinnerung sein. Schon damals rüstete Daimler sein Modell mit
dem elektronischen Stabilitätsprogramm ESP nach. Nun wird
die Technologie EU-weit Pflicht

Stuttgart (dpa) - Einsteigen, anschnallen. Was heute
selbstverständlich ist, musste 1976 per Gesetz eingeführt werden.
Damals war die Gurtpflicht noch straffrei. Die Zahl der Verkehrstoten
stieg im darauffolgenden Jahr prompt erst einmal an. Erst als 1984
ein Bußgeld eingeführt wurde, zeigte sich ein Effekt. Seitdem sind
die tödlichen Unfälle kontinuierlich zurückgegangen. Jetzt hilft der

Gesetzgeber erneut nach. In der EU müssen Neuwagen vom 1. November an
mit Systemen ausgestattet werden, die unter anderem verhindern, dass
das Auto aus der Spur gerät und die den Reifendruck kontrollieren.

Was ändert sich zum 1. November?

Neuwagen, die dann zugelassen werden sollen, müssen eine bestimmte
Technik vorweisen. Dazu gehört das elektronisches Stabilitätsprogramm

(ESP) und das Reifendruckkontrollsystem (RDKS).

Was sind das für Systeme?

Die Reifendruckkontrolle misst vereinfacht ausgedrückt, den Druck der
Reifen und warnt zum Beispiel, wenn eines der Räder Luft verliert. Es
gibt entweder Sensoren am Reifen oder indirekte Systeme, die eine
Veränderung anhand der Umdrehungen feststellen. Das elektronische
Stabilitätsprogramm (ESP) bremst bei schnellen Lenkbewegungen, zum
Beispiel in einem Ausweichmanöver, einzelne Räder ab. Damit soll
verhindert werden, dass das Fahrzeug ausbricht.

Was verspricht man sich von der Einführung?

«ESP ist nach Gurt und Anti-Blockier-System (ABS) der Lebensretter
im Auto», erklärt ein Dekra-Sprecher. Bricht ein Fahrzeug aus, merk
t
der Fahrer das in der Regel nicht oder zu spät, wenn er die Kontrolle
verloren hat. Einer der Hersteller, Bosch, rechnet vor, dass seit der
Markteinführung von ESP 1995 europaweit etwa 190 000 Unfälle
vermieden und mehr als 6000 Leben gerettet wurden. Die
Reifendruckkontrolle verhindert, dass ein Schaden am Reifen nicht
bemerkt wird und er unter Umständen bei hohen Geschwindigkeiten auf
der Autobahn platzt.

Muss ich jetzt mein altes Auto umrüsten lassen?

Nein. Die neuen Regelungen gelten nur für Autos, die zum ersten Mal
zugelassen werden. Auch bereits zugelassene Autos, die umgemeldet
werden, müssen die Systeme nicht vorweisen. Die meisten Neuwagen
verfügen übrigens schon seit Jahren über die Technologien. Volkswagen

beispielsweise rüstet seit zwei Jahren alle Neuwagen serienmäßig mit

ESP aus. Die Reifendruckkontrolle ist seit Mitte 2014 bei VW-Neuwagen
inklusive.

Mit welchen Mehrkosten müssen Autobesitzer rechnen?

Wer sich kürzlich einen Neuwagen mit Reifendrucksensoren angeschafft
hat, braucht nun zum Beispiel auch Winterräder mit der neuen
Messtechnik. Wer ein Knotrollsystem hat, das ständig Messwerte aus
allen Reifen ans Fahrzeug übermittelt - muss neben den Kosten für
Felgen und Reifen noch für Anschaffung und Montage der zusätzlichen
Sensoren zahlen. Organisationen wie ADAC und TÜV Süd gehen bei einem
Radsatz von 250 bis 300 Euro für die Sensoren plus etwa 50 Euro für
Einbau und Programmierung in der Werkstatt aus.

Profitieren die Hersteller solcher Systeme?

Kaum, da die meisten Neuwagen bereits über solche Systeme verfügen.
Bosch hat beispielsweise seit dem Serienstart 1995 bereits mehr als
100 Millionen ESP-Systeme hergestellt.

Warum führt die EU das ein? 

«Diese neuen Vorschriften werden Fahrzeuge viel sicherer machen»,
sagt der Sprecher der EU-Kommission. «Schlingern ist die Hauptursache
für 40 Prozent aller tödlichen Unfälle.» Sowohl eine elektronische

Stabilitätskontrolle als auch die Reifendruckkontrolle würden helfen,
Schlingern zu vermeiden und Leben zu retten.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

In den USA und Kanada ist ESP bereits seit 2011 für Autos
vorgeschrieben. Das gleiche gilt für Australien und Israel. In Japan,
Korea, Russland und der Türkei sind entsprechende Regelungen geplant.