Athen will nun mit harten Bandagen gegen Steuerhinterzieher kämpfen Von Takis Tsafos, dpa

24.02.2015 16:41

Medienmogule, Rechtsanwälte, Ärzte mit großen Praxen, Industrielle
und Bauunternehmer. Alle will Athen nun zur Kasse bitten. Eine
Herkulesaufgabe für die Linke in Griechenland.

Athen (dpa) - Athen hat der Steuerhinterziehung und der Korruption
entschieden den Kampf angesagt. Das haben etliche
Vorgängerregierungen allerdings auch schon versucht - und sind dabei
jahrzehntelang nicht vorangekommen. Die Regierung unter dem linken
Premier Alexis Tsipras will nun alles daran setzen, vor allem die
reichen Griechen zur Kasse zu bitten. Eine «neue Kultur der
Steuerehrlichkeit» soll geschaffen werden, heißt es in der
Reformliste, die ausreichte, um grünes Licht von der Eurogruppe für
eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms zu erhalten.

«Man muss sie nicht bitten, man muss sie dazu zwingen», heißt es aus

Kreisen des Finanzministeriums in Athen. Tsipras hält sich zugute, im
Gegensatz zu seinen Vorgängern die Klientel der Wohlhabenden nicht
bedienen zu müssen. Konservative wie Sozialisten waren mit der
Steuereintreibung in den vergangenen Jahrzehnten kläglich
gescheitert. «Weil sie die Vetternwirtschaft gefördert haben», sagt
Nikos Filis, Abgeordneter der Linkspartei Syriza.

Eine wahre Herkulesaufgabe steht bevor. Wofür in anderen Staaten viel
Geld bezahlt werden muss, ließ der griechische Staat in der
Vergangenheit links liegen. Beispiel: Die Frequenzvergabe für private
Radio- und Fernsehsender, letztere gibt es seit 1989. Praktisch nur
etablierten Verlegern wurden damals die Frequenzen vorläufig
zugeteilt, sie brauchten keine Nutzungsgebühren zu bezahlen, weil
eine endgültige Regelung vorgesehen war. Dazu kam es jedoch in den
vergangenen 26 Jahren nicht. Jährlich seien dadurch Einnahmen von
rund 100 Millionen Euro entgangen, rechnet die Regierung unter
Tsipras vor. Die Sender gehören den größten griechischen
Bauunternehmen. Auch Reeder mischen mit, die schon steuerbegünstigt
sind. Künftig sollen nun alle Nutzungsgebühren bezahlen. Ein
entsprechendes Gesetz soll in den kommenden Wochen fertig sein.

Auch bei Freiberuflern will die neue Regierung ansetzen. Steuern zu
hinterziehen ist bei Ärzten, Rechtsanwälten, aber auch Handwerkern
weit verbreitet. Oftmals zahlen ihre Kunden, ohne eine Quittung zu
erhalten. Beispiel: Für eine kurze sofortige Behandlung verlangt ein
Arzt 40 Euro. «Eine Quittung gibt es nicht. Man ist aber schnell das
Problem los. Man bekommt gleich die Medikamente verschrieben», sagt
eine Patientin. Mehr als eine Woche würde es meist dauern, würde ein
Krankenkassen-Arzt konsultiert.

Die Regierung Tsipras' will wie die Vorgänger die Steuerverwaltung
effizienter gestalten und besser ausstatten. Hohe Summen stehen noch
aus von Unternehmen, die inzwischen längst aufgegeben haben und von
Bürgern, die Pleite gegangen sind. Viele Steuerschulden sind gar
nicht mehr einzutreiben. Dieses Steuerloch wird auf 76 Milliarden
Euro geschätzt.

Vizefinanzministerin Nadja Valavani will säumigen Bürgern ein
verlockendes Angebot machen: Wer dem Staat Geld schuldet, könne
künftig auf einen Schuldenerlass in Höhe von bis zu 50 Prozent
rechnen. Voraussetzung dafür sei, dass er sofort 200 Euro und den
Rest in bis zu 100 Raten zahlt. Damit hätte man die Hoffung,
zumindest einen kleinen Teil dieser Riesensumme zu kassieren, hieß
es.

Harte Kritik gibt es auch an der Behandlung griechischer Reeder. Doch
dieses Problem anzugehen, sei leichter gesagt als getan, erklären
Experten. Denn weltweit - auch in Deutschland - genießen die Reeder
Steuerbegünstigungen. Sie werden nicht nach ihren Gewinnen, sondern
nach der Tonnage ihrer Schiffe besteuert. Wenn jemand versuchen
würde, dies zu ändern, dann könnten sie ihre Büros in Piräus
schließen, ihre Schiffe unter Billigflaggen fahren lassen und der
Fiskus bekäme nichts, zudem gingen Arbeitsplätze verloren.

Viele Experten sind skeptisch, ob Tsipras beim Thema
Steuerhinterziehung viel erreichen wird. Die Steuerbehörde SDOE,
zuständig für die Verfolgung der kriminellen Steuerhinterziehung, hat
nach Angaben der Steuerbeamten-Gewerkschaft gerade einmal 17
Steuerfahnder. Diese müssen sich nicht nur um die Hinterziehung von
Steuern im großen Stil von der Industrie kümmern, sondern auch um die
Bekämpfung von schweren Fällen von Schmuggel mit Treibstoffen. «Wir

glauben aber, dass wir als neue Regierung eine Chance verdient
haben», sagt ein enger Mitarbeiter des Regierungschefs.