Kurioser Streit um Adelstitel: EuGH-Gutachter stützt deutschen Kläger

14.01.2016 18:26

Der Adel wurde in Deutschland vor fast 100 Jahren abgeschafft. Die
Titel von früher sind allerdings bei manch einem noch immer äußerst
beliebt. Doch kann man überhaupt ohne Heirat oder Adoption Graf oder
Freiherr werden? Ein Gutachter des EuGH sagt Ja.

Luxemburg (dpa) - Ein Deutscher mit dem Namen Nabiel Peter Bogendorff
von Wolffersdorff kann sich Hoffnung darauf machen, dass er sich
künftig «Graf» und «Freiherr» nennen darf. Die Ablehnung einer
Namensänderung durch das Standesamt Karlsruhe sei in seinem Fall
nicht mit EU-Recht vereinbar, urteilte ein einflussreicher Gutachter
des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in einer am Donnerstag
veröffentlichten Stellungnahme.

Hintergrund sei, dass der 53-Jährige neben der deutschen
Staatsbürgerschaft die Großbritanniens besitze. Im Vereinigten
Königreich habe er seinen Namen rechtmäßig in Peter Mark Emanuel Graf

von Wolffersdorff Freiherr von Bogendorff geändert - Graf und
Freiherr seien dort keine hoheitlich verliehenen Adelstitel.

In Deutschland wurde der Adel mit der 1919 beschlossenen Verfassung
der Weimarer Republik abgeschafft. Adelsbezeichnungen können
lediglich unter bestimmten Voraussetzungen als Familiennamen
überdauern. Sie gelten nicht mehr als Adelstitel.

Dass sich die deutschen Behörden weigerten, den Namen zu ändern,
wertete der EuGH-Gutachter wegen Bogendorff von Wolffersdorffs
Doppelstaatsangehörigkeit als Verstoß gegen das Verbot der
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Auch verwies er
unter anderem darauf, dass das Oberlandesgericht Dresden die Änderung
des Namens von Bogendorff von Wolffersdorffs Tochter erlaubt habe.
Sie heißt Larissa Xenia Gräfin von Wolffersdorff Freiin von
Bogendorff.

Der Gutachter hält es zudem für erwiesen, dass Bogendorff von
Wolffersdorff wegen der Namensabweichung in seinen deutschen und
britischen Ausweispapieren schwerwiegende Nachteile hat. In der
mündlichen Verhandlung berichtete Bogendorff von Wolffersdorff, er
habe wiederholt mehrere Stunden in Polizeikommissariaten verbringen
müssen, während die deutschen Behörden die Echtheit und die
Gültigkeit seines britischen Reisepasses überprüft hätten.

Nach Angaben des EuGH wurde Bogendorff von Wolffersdorff am 9. Januar
1963 in Karlsruhe als Nabiel Bagadi geboren. Über eine Adoption
erlangte er später den deutschen Familiennamen Bogendorff, den er wie
auch seinen Vornamen ändern ließ, so dass sein deutscher Vor- und
Nachname derzeit «Nabiel Peter Bogendorff von Wolffersdorff» lautet.
2001 sei er dann nach Großbritannien gezogen, wo er von 2002 an in
London als Insolvenzberater gearbeitet und 2004 durch Einbürgerung
die britische Staatsangehörigkeit erworben habe.

2005 zog er dann nach Gerichtsangaben wegen der Schwangerschaft
seiner Frau von London ins sächsische Chemnitz. Dort sei dann auch
seine Tochter zur Welt gekommen.

Der EuGH wurde auf Bitte des Amtsgericht Karlsruhe in das deutsche
Verfahren eingeschaltet. Die Einschätzung des Gutachters zum Fall ist
nicht bindend, meistens folgen die EuGH-Richter aber der
Stellungnahme. Das Urteil wird bis Mitte des Jahres erwartet.