Die wichtigsten Personen in der Brexit-Debatte
22.06.2016 05:09
London (dpa) - Das Brexit-Referendum am 23. Juni wird für
Großbritannien und Europa zur Schicksalswahl. Die Debatte spaltet die
britische Gesellschaft, Regierung und Parteien. Hier die führenden
Köpfe des Streits, ihre Strategien und wichtigsten Argumente:
DAVID CAMERON: Der britische Premierminister spielt mit dem Feuer.
Die Idee eines Referendum brachte er ins Spiel, um seine Gegner und
EU-Kritiker in der konservativen Partei ruhigzustellen. Bewusst
definierte der 49-Jährige den Zeitraum anfangs eher vage, spätestens
bis Ende 2017 solle abgestimmt werden, kündigte er vor der
Parlamentswahl im Mai 2015 an. Öffentlich gab sich Cameron zunächst
sehr EU-kritisch, forderte die Gemeinschaft zu Reformen auf.
Beim EU-Gipfel im Februar verkündete er einen Durchbruch. Vor allem
beim Thema EU-Einwanderer habe er sich durchgesetzt. Über Nacht wurde
Cameron zum EU-Fan. Ein Austritt würde die Wirtschaft und Sicherheit
des Landes gefährden, sagt er nun. Zugleich drückt er aufs Tempo un
d
legte als Termin für das Referendum den 23. Juni fest: Er fürchtet,
eine erneute europäische Flüchtlingskrise oder neue Euro-Turbulenzen
könnten Wasser auf den Mühlen seiner Gegner sein. Insider meinen,
falls der Brexit kommt, bleibe Cameron nur der Rücktritt.
BORIS JOHNSON: Der frühere Londoner Bürgermeister hat sich
erfolgreich als Galionsfigur der Austrittsbefürworter etabliert - und
ist zum direkten Gegenspieler Camerons avanciert. Der rhetorisch
begabte Populist ist ein Freund verbaler Zuspitzung und
Provokationen. Jüngstes Beispiel ist seine Behauptung, die EU wolle
den Superstaat - wie einst Napoleon und Hitler. Dafür erntete er zwar
reichlich Kritik, doch der Mann mit den markanten weiß-blonden Haaren
ist bei den Briten populär. Einer Umfrage zufolge halten viele Briten
den 52-Jährigen sogar für glaubwürdiger als Cameron.
Brexit-Warnungen internationaler Organisationen wie etwa des
Internationalen Währungsfonds (IWF) hält er für reine Angstmache. E
in
EU-Austritt würde dem Londoner Parlament endlich Souveränität
zurückgeben. Außerdem würden Mega-Zahlungen an Brüssel wegfallen.
Doch Beobachter in London meinen, letztlich gehe es Johnson darum,
Cameron zu beerben. Sollte das Austritts-Lager gewinnen, steigen
seine Karriere-Chancen beträchtlich. Doch auch wenn es scheitern
sollte, könnte Johnson gewinnen: Cameron könnte dann seinen Gegnern
«Brücken bauen» - und Johnson ins Kabinett holen.
NICOLA STURGEON: Die 45 Jahre alte schottische Regierungschefin hat
vor allem ein Ziel - Unabhängigkeit von London. Im vergangenen Jahr
ist sie damit bei einem Referendum knapp gescheitert. Doch die
Schotten sind zugleich mehrheitlich EU-Fans. Sollte London die EU
tatsächlich verlassen, würde das den schottischen
Unabhängigkeitsbestrebungen erheblich Auftrieb verleihen. Für diesen
Fall spekuliert Sturgeon mit einem zweiten Unabhängigkeitsvotum.
JEREMY CORBYN: Ein waschechter EU-Fan ist auch der 67 Jahre alte
linke Labour-Chef nicht. In der Vergangenheit reihte er sich eher
unter den Gemeinschafts-Skeptikern ein. Auch jetzt spricht er von
Mängeln und Schwächen der Union. Doch es gebe keine Alternative: Man
könne die EU nur reformieren und verbessern, wenn man dabei
sei. Daher kämpft Corbyn jetzt für den Verbleib. Doch er ist
angeschlagen, bei den jüngsten Regional- und Kommunalwahlen musste
Labour Schlappen einstecken.
NIGEL FARAGE: Der Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei gilt
vielen als «Mr. Brexit», ein Austrittskämpfer der ersten Stunde.
Zunächst war er bei den Konservativen, doch als London 1992 dem
Maastricht-Vertrag beitrat, verließ er die Partei und gründete Ukip.
EU und Immigration sind die Leib- und Magenthemen des begabten
Rhetorikers, der ebenfalls keine Spitze scheut.
Gegner werfen dem 52-Jährigen vor, er spiele mit der Angst. Bei der
Parlamentswahl im Mai 2015 gewann die Partei zwar hinzu - wegen des
Mehrheitswahlrechts brachte sie aber nur einen Abgeordneten ins
Parlament. Farage ist stets für eine Überraschung gut, jüngst brachte
er etwa die Idee eines zweiten Referendums ins Spiel - falls die
EU-Befürworter am 23. Juni knapp gewinnen sollten.