Streit um Marktwirtschaftsstatus: EU droht Handelskonflikt mit China Von Andreas Landwehr, dpa

23.05.2016 06:30

Vor 15 Jahren wurde China der Status als Marktwirtschaft in Aussicht
gestellt. Aus Angst um Arbeitsplätze will die EU ihr Versprechen aber
nicht erfüllen. China ist empört - und will den Europäern jetzt die
Geschäfte erschweren.

Peking (dpa) - Der Europäischen Union droht ein Handelskonflikt mit
China, der besonders die deutsche Wirtschaft und ihre Autobauer in
Mitleidenschaft ziehen könnte. Ursache ist die europäische Weigerung,
der zweitgrößten Volkswirtschaft den Status als Marktwirtschaft
einzuräumen. Es würde China vor teuren Anti-Dumping-Klagen schützen -

also vor Beschwerden, dass es seine Waren unter Preis auf den Markt
wirft. Gerade jetzt in der Stahlkrise wird China vorgeworfen, wegen
seiner Überkapazitäten seinen Stahl viel zu billig anzubieten.

«Europa sollte zweimal nachdenken, bevor es eine endgültige
Entscheidung über Chinas Marktwirtschaftsstatus fällt», warnte die
chinesische Staatsagentur Xinhua nach dem Votum des EU-Parlaments,
China die verbesserten Handelsbedingungen vorzuenthalten. «Nach der
Resolution des Parlaments steuern China und die EU auf einen
handfesten Konflikt zu», sagte ein EU-Diplomat der Deutschen
Presse-Agentur in Peking. «Am Ende droht sogar ein Handelskrieg.»

Der Ton hat sich verschärft. Von chinesischer Seite werden schon
Strafmaßnahmen in Aussicht gestellt. «Es gibt zunehmend konkrete
Drohungen mit Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Firmen», sagte
der EU-Diplomat. «Von chinesischer Seite wurde gesagt: Viele
europäische Unternehmen verdienen hier gut, das muss nicht so
bleiben. Auch die deutsche Autoindustrie wurde ausdrücklich erwähnt.»


Die deutsche Wirtschaft und ihre Autounternehmen sind besonders
abhängig vom chinesischen Markt. «Sollte da Druck ausgeübt werden,
würde es das Geschäft erschweren», sagte eine Quelle bei einem groß
en
deutschen Autoproduzenten in Peking. Denkbar sind Probleme bei der
Einfuhr von Luxuskarossen, die in Deutschland gebaut werden, oder
andere bürokratische Hindernisse. Das kann auch andere
Wirtschaftszweige treffen. «Sie können die Schraube leicht oder fest
zudrehen, bis es wirklich weh tut», sagte der EU-Diplomat.

Nach der Resolution des EU-Parlaments steckt die Europäische Union
aber in einer Zwickmühle. Die Entschließung der Abgeordneten, die
sich um Millionen von Arbeitsplätzen sorgen, ist zwar nicht bindend.
Aber die EU-Kommission bräuchte am Ende auf jeden Fall die Zustimmung
der Parlamentarier, wollte sie China den Status einräumen wollen.

Schwierig genug ist schon die ebenfalls nötige qualifizierte Mehrheit
der EU-Mitglieder, wobei die Einwohnerzahl gewichtet wird. Die
Gemeinschaft ist tief gespalten. So fürchten Diplomaten, dass China
in die Offensive geht und gezielt gegen unwillige und unentschiedene
Mitgliedsstaaten vorgehen wird.

Aus der Sackgasse kommt die EU nur schwer raus. China war in Artikel
15 des Vertrages für seinen Beitritt in die Welthandelsorganisation
(WTO) 2001 versprochen worden, dass es 15 Jahre später als
Marktwirtschaft anerkannt werde. Chinas Regierung pocht darauf, dass
das Versprechen termingerecht im Dezember dieses Jahres erfüllt wird.
Die meisten EU-Rechtsexperten glauben auch, dass China bei einer
Anrufung des Streitbeilegungsmechanismus der WTO rechtlich die
stärkere Position hat. Doch würde ein Verfahren zwei Jahre dauern.

Der Streit wird auch die Regierungskonsultationen überschatten, zu
denen Kanzlerin Angela Merkel und ihr Kabinett am 13. Juni in Peking
erwartet werden. Die Lage ist so verfahren, dass ein Kompromiss
notwendig wäre, der einige Verteidigungsmechanismen bewahrt. «Wir
sind weit voneinander entfernt - und es ist schwer, eine Brücke zu
bauen», sagt der EU-Diplomat. «Beide Seiten müssen verstehen, dass
sie sich bewegen müssen. Die Zeit wird langsam knapp.»

Aber warum sollte sich China darauf einlassen, wenn ihm der Status
zusteht? Es sei «eine Schande», wie China als große Volkswirtschaft
behandelt werde, poltert die chinesische Zeitung «Global Times». Die
EU wolle ein paar Industrien im Süden schützen, «aber wird am Ende
nur ihren eigenen Interessen schaden», warnt das Blatt, das vom
Parteiorgan «Volkszeitung» herausgegeben wird.

«Ich rechne mit einer Menge Rhetorik», sagt der Präsident der
Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke. «Die Chinesen
werden große Drohungen an die Wand malen, aber da müssen wir die
Nerven behalten.» Denn China hat auch etwas zu verlieren: «Immerhin
investiert China nun mehr als doppelt so viel in der EU als wir in
China, und China verkauft für 500 Millionen Euro mehr in die EU als
wir nach China - pro Tag.»