Kein Ende der Krise: Italiens Banken nach dem Stresstest Von Miriam Schmidt, dpa
31.07.2016 11:09
Italiens Banken schneiden beim europäischen Stresstest zwar nicht so
schlecht ab wie erwartet, doch die Krisenbank Monte dei Paschi
bekommt ein besonders miserables Zeugnis. Trotz ihres Rettungsplans
ist die Krise der italienischen Banken lange nicht überwunden.
Rom (dpa) - Italiens größtes Sorgenkind hatte vorgesorgt. Nicht
einmal eine Stunde vor Veröffentlichung der Stresstest-Ergebnisse
präsentierte die kriselnde Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) einen
milliardenschweren Rettungsplan. Kurz darauf stand fest, dass die
angeschlagene MPS im Stresstest wie erwartet das schlechteste Zeugnis
erhält. Obwohl das Geldhaus seine Schwierigkeiten angehen will und
die anderen italienischen Institute nicht so schlecht abschnitten wie
befürchtet: Die grundlegenden Probleme bleiben.
Die 1472 gegründete Monte dei Paschi will mehr als die Hälfte ihrer
faulen Kredite abgeben und eine Kapitalerhöhung über fünf Milliarden
Euro umsetzen. Der Berg fauler Kredite in Höhe von insgesamt etwa 360
Milliarden Euro ist eines der größten Probleme italienischer Banken.
Der Wert entspricht etwa einem Drittel all dieser Kredite mit hohem
Ausfallrisiko in der EU und ist auch ein Erbe der jahrelangen
Rezession, unter deren Folgen die drittgrößte Volkswirtschaft der
Eurozone noch immer ächzt.
«In Italien leiden die Banken weiter unter der Wirtschaftskrise des
Landes. Es fehlt Wachstum, um Erträge zu erzielen und Verluste aus
faulen Krediten auszugleichen. Dieses Problem bleibt bestehen», sagte
Martin Hellmich, Bankenprofessor für Risikomanagement an der
Frankfurt School of Finance, der Deutschen Presse-Agentur. Italiens
Regierungschef Matteo Renzi urteilte am Sonntag, das Problem der
faulen Kredite zu lösen, sei die «beste Wachstumsmaßnahme».
Denn die Banken stecken in einem Teufelskreis: In ihrer Situation
können sie keine neuen Kredite gewähren, was das Wirtschaftswachstum
bremst. Doch gerade die Geldhäuser sind wiederum auf eine florierende
Wirtschaft angewiesen, um ihre Bilanzen aus eigener Kraft zu
stärken. Auch Philipp Wackerbeck, Strategieberater und Bankenexperte
bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, betont: «Die
italienische Bankenkrise ist damit aber nicht überstanden. Der Markt
wird weiter Druck auf sie ausüben, ihre Bilanzen zu bereinigen.»
Beim Stresstest 2014 waren neun italienische Banken durchgefallen.
Leider sei im Nachgang wenig passiert, um die Schwächen der Institute
zu beheben, kritisiert Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des
Privatbankenverbandes BdB. Auch die Experten Daniel Gros und Willem
Pieter de Groen vom Brüsseler Think Tank CEPS urteilen: «Die
italienischen Banken sind bei allen bisherigen europäischen
Stresstests seit 2010 gescheitert oder waren nah dran.»
Analysten sehen weitere tiefgreifende Probleme in Italien. An vielen
Stellen gibt es jahrelanges Missmanagement und Vetternwirtschaft, für
die niemand zur Rechenschaft gezogen werde. Dazu kommt eine viel zu
laxe Kreditvergabe, darüber hinaus ist der Bankensektor völlig
überdimensioniert, stark zersplittert und wenig effizient. Politik
und Banken sind in Italien eng miteinander verwoben - aus einer
Bankenkrise könnte daher auch schnell eine Staatskrise werden.
Das Problem der Banken beschäftigt die Regierung schon seit Monaten.
Renzi steht innenpolitisch stark unter Druck, oberste Priorität hat
für ihn, Kleinanleger bei möglichen Bankenrettungen zu verschonen -
was jedoch den EU-Regeln widerspricht. «Ich will nicht, dass die
Bürger von heute für die Verantwortung der Politik aus der
Vergangenheit zahlen müssen», sagte er der Zeitung «La Repubblica».
Vergangenes Jahr brachte sich in Italien ein Rentner um, der bei
einer Bankenrettung all seine Ersparnisse verloren hatte - und viele
Wähler gaben der Regierung die Schuld dafür. Seine Priorität sei es,
«Kontoinhaber und den Sparer zu schützen», die nach EU-Regeln bei
einer Bankenrettung zahlen müssten, sagte Renzi. «Sie sollen wissen,
dass es in Italien eine Regierung gibt, die sich um sie kümmert.»
In Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten wächst die Angst v
or
einem politisch instabilen Italien. Im Herbst steht das wichtige
Referendum über die geplante Verfassungsreform an, das Renzi mit
seinem eigenen Schicksal verknüpft hat. Im Falle einer Niederlage
könnten Italien Neuwahlen drohen - ein Schreckensszenario für die EU,
da dann möglicherweise die europakritische und unberechenbare
Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht kommen könnte.