Warum Schafställe den Bio-Lachs aus Norwegen stoppen Von Benedikt von Imhoff, dpa

07.09.2016 16:48

Die deutsche Fischindustrie spricht von einer «Posse» - aus formalen
Gründen darf norwegischer Lachs nicht mehr mit dem Bio-Siegel der
EU in der Gemeinschaft vertrieben werden. Der Grund dafür sind:
Schafställe.

Berlin/Brüssel (dpa) - Es klingt wie aus dem Lehrbuch für
EU-Kritiker. Weil Schafställe in Norwegen zu viele Spalten im Boden
aufweisen, darf das Land keinen Lachs mehr mit dem EU-Bio-Siegel in
die Europäische Union exportieren. Dabei ist an dem Fisch selbst gar
nichts auszusetzen. «Der Lachs wird so produziert, wie die EU das
vorschreibt», betont Matthias Keller, Geschäftsführer des
Bundesverbandes der deutschen Fischindustrie. Das Problem trägt
vielmehr die Bezeichnungen 834/2007 und 889/2008.

Norwegen hat - wie auch Island - diese EU-Regulierungen noch nicht in
die Vereinbarung zum Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen, dem
die beiden Nicht-EU-Mitglieder angehören. Die Vorschriften betreffen
Aquakulturen wie beim Bio-Lachs, aber auch die Bedingungen in
Schafställen. Und hier liegen EU und Norwegen deutlich auseinander.

Denn Brüssel schreibt vor, dass die Ställe aus Tierschutzgründen
möglichst festen Boden haben und mit Stroh bedeckt sein sollen.
Norwegen hingegen bevorzugt Spalten, damit die Exkremente hinabfallen
können und weil wegen des eher kalten Klimas Getreide - und also auch
Stroh - rar ist.

«Wir können und wollen bei diesen Regeln nicht nachgeben, denn
Verbraucher in der EU verdienen volles Vertrauen in das, was auf
ihren Tellern landet», sagt ein EU-Kommissionssprecher. «Die
Richtlinie muss als Ganzes übernommen werden und nicht à la carte.»
Er betont, die Kommission habe lange Zeit mit Norwegen - und dem
EWR-Mitglied Island - über technische Anpassungen diskutiert. «Manche
der Forderungen gehen jedoch über bloße technische Anpassungen
hinaus.»

Was skurril klingt, hat für den deutschen Einzelhandel schon erste
Auswirkungen. Die Discounter Lidl und Aldi Nord haben einen
Lieferstopp für den umstrittenen Norwegen-Lachs verhängt, wie sie auf
Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch mitteilten. Eine
Aldi-Sprecherin sagte, das Unternehmen suche nun andere Bezugsquellen
für Bio-Lachs. Die vorhandene Ware dürfe aber nach Absprache mit den
Bundesländern noch abverkauft werden.

Zwar hofft die Regierung in Oslo auf neue Ausnahmen. Allerdings
räumte Fischereiminister Per Sandberg unlängst ein, dass die
Bemühungen noch keinen Erfolg gehabt hätten: «Das ist eine
unglückliche Situation, die mittelfristig signifikante Konsequenzen
für Produzenten von Bio-Lachs in Norwegen haben kann.»

Fischexport ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in dem Land. Allein im
August führte Norwegen Meeresfrüchte im Wert von 7,1 Milliarden
Kronen (rund 775 Mio Euro) aus, ein Drittel mehr als im
Vorjahresmonat. 5,3 Milliarden Kronen stammen aus dem Lachsverkauf.

«Norwegen ist der größte Lieferant von Bio-Lachs, und deshalb kann
die Lücke momentan nicht geschlossen werden», sagte Martina Buck,
Sprecherin des Fischverarbeiters Deutsche See, jüngst der
«Tageszeitung» (taz). Rund 18 000 Tonnen des vor allem bei Gourmets
beliebten Lebensmittels produziert das skandinavische Land jedes
Jahr, mehr als die Hälfte geht nach Deutschland. Überhaupt ist Lachs
hierzulande der beliebteste Speisefisch.

Das Brüsseler Verbot von Mitte Juli, dass die Ware kein Bio-Label
tragen darf, führt auch innerhalb Deutschlands zu Chaos. So schreiben
nun einige Bundesländer vor, die bereits verpackte norwegische Ware
sofort vom Markt zu nehmen. Anderswo darf hingegen der Lagerbestand
noch verkauft werden, oder es wird erst einmal abgewartet, ob sich in
der Sache nicht doch noch etwas tut.

«Das ist eine Posse, die wir nicht gutheißen», meint Keller von der
Fischereiindustrie. Notfalls, sagt er, müssten die Verbraucher auf
Produkte aus Schottland und Irland ausweichen. Dann sei auch mit
deutlich höheren Preisen zu rechnen. Doch so weit ist es noch nicht.

So hofft die Branche, dass ein Treffen des zuständigen EU-Kommissars
Phil Hogan mit dem norwegischen Landwirtschaftsminister Ende
September einen Fortschritt bringt. Und schließlich darf Lachs aus
Norwegen weiterhin ohne Einschränkungen verkauft werden, wie auch die
EU betont. Nur eben nicht mit dem begehrten Bio-Siegel. Die
Versorgung sei also keinesfalls eingeschränkt, erklärt Keller.