«Schummeln geht nicht» - Fischer fühlen sich von Quoten gegängelt Von Janet Binder, dpa
12.12.2016 06:00
Alljährlich legt die EU die Fangquoten für Nord- und Ostsee fest. Für
die Fischer können diese bedeuten, dass Kutter über Wochen im Hafen
bleiben. Doch die Fangquote ist nicht ihr einziges Problem.
Brake (dpa) - Das Wort Überfischung hört Dieter Hullmann nicht gern.
«Alle sprechen von überfischten Meeren», sagt der geschäftsführen
de
Vorsitzende der Fischerei-Genossenschaft Elsfleth, die insgesamt 24
in Brake und Emden beheimatete Fischkutter betreut. «Komischerweise
sind die Erträge seit 20 Jahren gleich.» Klar bemerkten die Fischer
auch Schwankungen in den Beständen. «Aber die hat es schon immer
gegeben. Das sind naturbedingte Phänomene.» Ob Scholle, Seezunge,
Kabeljau, Steinbutt, Rochen oder selbst der Dornhai: Es gehe ihnen
gut.
Das sehen nicht nur Umweltschützer und Meeresbiologen anders, sondern
auch die Fischereiminister der EU-Staaten. Jedes Jahr legen sie auf
Grundlage von wissenschaftlichen Gutachten deshalb Fangquoten fest.
Sie geben an, wie viele Tonnen einer bestimmten Fischart in einem
Jahr gefangen werden dürfen. Die Quoten für 2017 für den
Nordostatlantik und die Nordsee werden am Montag bekanntgegeben, die
für die Ostsee stehen schon fest. Vom Dorsch in der westlichen Ostsee
sollen 56 Prozent weniger gefangen werden als in diesem Jahr, weil
Forscher einen Zusammenbruch des Bestandes fürchten.
Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) sprach nach der
Entscheidung von einer «schmerzhaften, aber angesichts der
Bestandssituation erforderlichen Quotenreduzierung».
Konsequenzen hat das auch für Dieter Hullmann. Einer seiner eigenen
vier Kutter, die «BRA 4 Destiny», ist in der Ostsee unterwegs.
Kapitän ist sein Sohn Timo. In wenigen Tagen entscheidet die
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, ob er dort weiter auf
Fischfang gehen darf. «Weil die Quote so drastisch gesenkt wurde,
wird überlegt, dass Nordsee-Kutter nicht mehr in der Ostsee fischen
dürfen.» Sollte das der Fall sein, würde er klagen, sagt Hullmann.
Sein Familienbetrieb mit Sitz in Brake an der Unterweser ist seit der
Gründung 1922 auch immer in der Ostsee unterwegs gewesen.
Dass Schiffe im Hafen bleiben, weil die Quote bereits abgefischt
wurde, passiert immer wieder. Bei Hullmann sind das schon mal bis zu
drei Wochen. Normalerweise bleiben seine Kutter zwei, drei Tage im
Hafen, um dann wieder eine Woche auf See zu sein. In Cuxhaven liegt
die 35 Meter lange «Iris» der Erzeugergemeinschaft Kutterfisch schon
das ganze Jahr am Pier. «Normalerweise würde sie auf Seelachsfang
gehen, die Quote ist jedoch so gering, dass sie auf andere Kutter
aufgeteilt wurde», erklärt die Kutterfisch-Zentrale, die insgesamt
zehn Schiffe betreut.
Hullmann sagt, ein weiteres Problem für die Fischer sei die
sogenannte Anlandeverpflichtung, die ab 2017 in der Nordsee gilt. Sie
besagt, dass kein Fischer mehr unbeabsichtigt gefangene Fische zurück
ins Meer werfen darf. Alle ins Netz gegangenen Fische müssen an Land
gebracht werden. «Wenn ich als Beifang Steinbutt habe, die Quote
dafür aber schon abgefischt habe, muss ich die Reise abbrechen und
sofort an Land», erklärt Hullmann mögliche Konsequenzen.
Die EU-Kommission wird deshalb für den Übergang zusätzliche Quoten
vorschlagen. Trotzdem sagt Hullmann: «Das Rückwerfverbot ist der
falsche Weg.» Denn der Beifang fehle im Biosystem der Nord- und
Ostsee. Stattdessen werde er zu Fischmehl verarbeitet und lande in
norwegischen Lachsfarmen.
Die Idee, selektiv zu fischen, finde er ja gut. Es müssten dafür aber
neue Netztechniken entwickelt werden, um unerwünschten Beifang
effektiv zu vermeiden, betont Hullmann, der zehn Jahre lang selbst
zur See gefahren ist. So wie es mit neuartigen Netzen beim
Krabbenfischen schon geschafft wurde.
Wer den Fischern unterstellt, sie könnten ja - so weit entfernt vom
Land - weiterhin unbemerkt Beifang über Bord werfen, wird von
Hullmann eines Besseren belehrt: Es gebe Kameras an Bord, ein
elektronisches Logbuch, stündliche Meldungen über die Position,
Fangeintragungen, Kontrollen auf See und im Hafen. «Die Fischerei ist
die am besten kontrollierte Branche Deutschlands», sagt Hullmann.
«Schummeln geht nicht mehr.»