Über Gebühr belastet? Klage gegen EZB-Bankenaufsicht vor Entscheidung Von Jörn Bender, dpa

16.05.2017 06:30

Schießt die EZB-Bankenaufsicht bei der Überwachung vergleichsweise
kleiner Geldhäuser übers Ziel hinaus? Als Förderinstitut hat die
baden-württembergische L-Bank dazu eine klare Meinung. Über ihre
Klage wird nun entschieden.

Frankfurt/Luxemburg (dpa) - Ist eine regionale Förderbank so
bedeutsam, dass sie von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht
werden muss? Nein, meint die baden-württembergische L-Bank. Am 12.
März 2015 reichte das Karlsruher Institut als erste und bis heute
einzige Bank Klage gegen die Aufsicht durch die Notenbank ein. An
diesem Dienstag fällt das Urteil vor dem Europäischen Gericht (EuG) -
es könnte Signalwirkung haben (Rechtssache T-122/15).

Worum geht es in dem Streit?

Im November 2014 übernahm die EZB die Aufsicht über die bedeutendsten
Banken im Euroraum. Die Aufseher in Frankfurt überwachen seither auch
die Landeskreditbank Baden-Württemberg (L-Bank). Die Förderbank
argumentiert, die EZB-Aufsicht sei für komplexe, international tätige
Geldhäuser zuständig, sie selbst sei aber kein «bedeutendes
Institut». Für die L-Bank entstünden «erhebliche bürokratische
Anforderungen und Kosten», das gehe «zu Lasten des zur Verfügung
stehenden Förderpotenzials». Die Bank will erreichen, dass sie - wie
1500 kleinere und mittlere Kreditinstitute in Deutschland - wieder
von der Finanzaufsicht Bafin und der Bundesbank beaufsichtigt wird.

Warum ist die EZB überhaupt für die Bankenaufsicht zuständig?

Nach der Finanzkrise 2007/2008 wollten Europas Politiker das
Bankensystem stabiler aufstellen. Gemeinsame Bankenaufsicht,
Bankenabwicklung und Einlagensicherung sollen sicherstellen, dass
künftig Rettungsprogramme mit Steuermilliarden möglichst vermieden
werden. Damit die neuen Regeln schnell greifen, übernahm die EZB
zusätzlich zur Geldpolitik die Bankaufsicht für den Euroraum («Single

Supervisory Mechanism»/SSM). So musste keine neue Mammutbehörde aus
dem Boden gestampft werden.

Welche Institute überwacht die EZB?

Die EZB ist nach aktuellen Zahlen für die direkte Aufsicht über 125
Banken im Euroraum zuständig - in enger Zusammenarbeit mit nationalen
Aufsehern. Ziel ist, die wichtigsten grenzüberschreitend tätigen
Finanzhäuser mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro
nach einheitlichen Kriterien zu überwachen. 21 Bankengruppen aus
Deutschland fallen derzeit unter die EZB-Aufsicht: u.a. Deutsche Bank
und Commerzbank, das genossenschaftliche Zentralinstitut DZ Bank, die
großen Landesbanken, das Sparkassen-Wertpapierhaus Dekabank und
Deutschlands größte Sparkasse, die Hamburger Haspa.

Wie hoch sind die Kosten für die Banken?

425 Millionen Euro Aufsichtsgebühren hat die EZB für 2017 festgesetzt
- etwa zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Den Löwenanteil (92 Prozent)
müssen die direkt überwachten Institute tragen, die «bedeutenden
Banken». Der Rest entfällt auf die etwa 3200 «weniger bedeutenden»

Institute. Für diese - in Deutschland vor allem Sparkassen und
Volksbanken - sind nach wie vor federführend die nationalen
Aufsichtsbehörden zuständig. Weil die EZB einheitliche Standards
anstrebt, hat sie aber auch Einfluss auf solche Institute. Schärfere
Regeln, regelmäßige Stresstests, Gespräche mit Aufsehern - das bindet

in den Banken Personal und treibt die Kosten. Kleineren Häuser macht
das besonders zu schaffen. Bundesbank, Bafin und Bundesregierung
setzen sich daher für Ausnahmeregelungen ein («Small Banking Box»).

Warum sollte es für die L-Bank eine Ausnahme geben?

Als Förderbank des Landes Baden-Württemberg greift das Institut
regional kleinen und mittleren Unternehmen bei Investitionsvorhaben
unter die Arme, unterstützt Kommunen beim Ausbau ihrer Infrastruktur
oder vergibt Gelder für den sozialen Wohnungsbau. Für dieses
«risikoarme Fördergeschäft» gebe es zudem eine «für alle Gläu
biger
unmittelbar wirkenden Garantie des Landes Baden-Württemberg»,
argumentiert das Institut. Außerdem ist die L-Bank vergleichsweise
klein: Ende 2016 lag ihre Bilanzsumme bei 75,1 Milliarden Euro. Zum
Vergleich: Die Deutsche Bank kam auf fast 1600 Milliarden Euro. Auf
der EZB-Liste der direkt beaufsichtigten Institute stehen allerdings
auch weitere Förderbanken, etwa die NRW.Bank aus Nordrhein-Westfalen.