EU will weniger Raps im Tank Von Roland Losch, dpa

07.08.2017 04:00

Mit Biodiesel aus heimischem Raps sowohl der Umwelt als auch den
Bauern helfen - eigentlich ein guter Plan. Findet sogar die
Autoindustrie. Aber jetzt droht der Absturz.

München (dpa) - Die Bundesbürger kaufen zwar weniger Dieselautos,
aber die Nachfrage nach Dieselkraftstoff steigt kräftig. Denn die
gute Konjunktur hält Lastwagen und Transporter am Laufen. Das
Verrückte ist, dass der Anteil von Biodiesel immer weiter sinkt - und
zwar ausgerechnet deshalb, weil er immer besser wird und immer
weniger Treibhausgase ausstößt. Für die Rapsbauern könnte es bald
sogar noch schlimmer kommen.

Die Mineralölwirtschaft ist gesetzlich verpflichtet, ihre
Klimabelastung zu reduzieren. Vor zwei Jahren wurde die
Biokraftstoff-Quote ersetzt durch eine Treibhausgas-Quote. «Nun
werden aber die Bio-Kraftstoffe immer effizienter», erläutert
Alexander von Gersdorff, Verbandssprecher der Mineralölwirtschaft.
Inzwischen belasten sie das Klima 70 Prozent weniger als fossiler
Diesel. Die Mineralölkonzerne müssen also immer weniger teuren
Biodiesel hineinmischen, um ihre Treibhausgas-Quote zu erfüllen. «Die
Biokraftstoffe werden Opfer ihres eigenen Erfolges», sagt Gersdorff.

Im ersten Quartal 2017 ist der Dieselverbrauch in Deutschland
gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent gestiegen. Der Anteil des
Biodiesels ist jedoch um sieben Prozent gesunken. Und das, obwohl die
Klimavorgaben für die Ölkonzerne zu Jahresbeginn verschärft wurden.

«Das zeigt das Ausmaß der verkorksten Regulierung, die nur dem
Marktanteil fossiler Energie zugutekommt», klagt Elmar Baumann,
Geschäftsführer des Verbandes der Biokraftstoffindustrie (VDB). «Die

bornierte Weigerung des Bundesumweltministeriums, die Höhe der
gesetzlich vorgeschriebenen Treibhausgasminderung an die Realitäten
im Kraftstoffmarkt anzupassen, beschneidet den Klimaschutz im
Straßenverkehr und schädigt die deutsche Biokraftstoffindustrie.»

In Deutschland wird Biodiesel vor allem aus Raps hergestellt: Rund
zwei Millionen Tonnen stammen aus der Ölpflanze, 750 000 Tonnen sind
«altes Frittenfett», wie VDB-Sprecher Frank Brühning sagt.

Umgekehrt sind für die Rapsbauern die Biodiesel-Hersteller die
größten Abnehmer und nicht etwa die Lebensmittelproduzenten. «Das ist

ein ökonomisch wichtiges Standbein, und Raps ist auch für die
Fruchtfolge wichtig», sagt Manuela Specht, Referentin beim Deutschen
Bauernverband. Angebaut wird der Raps vor allem in
Mecklenburg-Vorpommern, den anderen ostdeutschen Bundesländern und
Schleswig-Holstein. Beim Pressen fällt neben dem Öl als Rest
Eiweiß-Futter für Hühner, Schweine, Rinder an. So importierten
Tierhalter weniger Soja aus Südamerika, sagt Brühning.

Vor Jahren schien Biodiesel ein Königsweg zu sein: Statt Flächen
stillzulegen oder Getreideberge anzuhäufen, konnten die Bauern
helfen, das Klima zu retten. «Da wurde unheimlich viel investiert»,
sagt Specht.

Aber dann stießen Umweltschützer und Kirchen die Debatte darüber an,

ob Lebensmittel angesichts des Hungers auf der Welt wirklich in den
Tank gehören. Zudem wurde für Biodiesel aus Palmöl Regenwald gerodet.

«Grüne Klimakiller», hieß es. Eine «Mogelpackung auf Kosten der
Umwelt», kritisiert Greenpeace.

Heute stammt Soja- und Palmöl für Biodiesel in Deutschland - einige
100 000 Tonnen jährlich - aus nachhaltigem, zertifiziertem Anbau. Von
einst 50 Biodiesel-Werken sind noch 20 übrig geblieben. Die Hälfte
ihrer Produktion exportieren sie in andere EU-Länder und die USA.

Jetzt droht ihnen der nächste Schlag: Die EU-Kommission will Raps
beim Klimaschutz nur noch halb so hoch anrechnen und Biokraftstoffe
aus Abfällen, Restholz oder Stroh mit hohen Pflichtquoten
voranbringen. Dann könnte es bald schon «sehr düster aussehen - dann

gibt es unsere Industrie nicht mehr», heißt es beim
Biokraftstoff-Verband. «In Brüssel herrscht keine Verlässlichkeit»,

kritisiert Specht und bezweifelt, ob sich mit Abfällen noch genug
Biodiesel produzieren lässt. Auch der Verband der Automobilindustrie
(VDA) sieht die EU-Kommission auf dem Holzweg und mahnt,
Biokraftstoffe seien unverzichtbar. Die Bundesregierung hat sich noch
nicht positioniert.