Steinmeier in der Schweiz: Thomas Mann statt Donald Trump Von Thomas Lanig und Christiane Oelrich, dpa
26.04.2018 14:34
Nicht alles an der Schweiz gefällt dem deutschen Bundespräsidenten.
Aber fast. Der Staatsbesuch ist ein starkes Signal für Freundschaft
in unsicheren Zeiten. Ein bestimmter Name kommt Steinmeier aber nicht
über die Lippen.
Bern/Freiburg (dpa) - Die Begeisterung ist Frank-Walter Steinmeier
auf jeder Station seines zweitägigen Staatsbesuchs anzumerken. Aber
als eine Professorin in der Universität von Freiburg das Schweizer
Modell der direkten Demokratie als Exportschlager preist, «mindestens
so gut wie Schokolade, Uhren und Finanzprodukte», muss der
Bundespräsident doch widersprechen: «Die politische DNA in
Deutschland ist eine ganz andere», sagt er am Donnerstag und macht
klar, was er von Volksabstimmungen auf Bundesebene hält: nicht viel.
Ansonsten aber sind Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender bester
Laune in diesen zwei Tagen. Was auch daran liegt, dass der Schweizer
Bundespräsident Alain Berset die Gäste aus Berlin hofiert nach allen
Regeln des Staatsbesuchs, von denen es in der Schweiz höchstens zwei
im Jahr gibt. Kleines Orgelkonzert und Mittagessen im
Sternerestaurant Des Trois Tours bei Freiburg eingeschlossen.
Allerdings: In einer Woche, die durch die Besuche des französischen
Präsidenten Emmanuel Macron und von Kanzlerin Angela Merkel am
Freitag bei US-Präsident Donald Trump bestimmt ist, steht
die Reise des Bundespräsidenten in die Schweiz ein wenig im Schatten.
Jedenfalls der deutschen Aufmerksamkeit.
Immer wieder war ja auch über eine USA-Visite Steinmeiers spekuliert
worden. Vor seinem Besuch in Bern und Freiburg hat das Präsidialamt
in Berlin nun fast alle Unklarheiten beseitigt. Der Bundespräsident
fliegt Mitte Juni an die US-Westküste, aber eben nicht zu Trump.
Steinmeier verkündet dann in der Schweiz selbst, dass er in Kürze in
Pacific Palisades bei Los Angeles das Thomas-Mann-Haus eröffnen wird,
das zu einer Stätte des «transatlantischen Dialogs» werden soll. Der
Mann, den Steinmeier im US-Wahlkampf 2016 einen «Hassprediger»
nannte, wird sich da wohl nie blicken lassen.
Derweil lässt er Trump unerwähnt und gibt stattdessen seiner
Verehrung für den Schriftsteller aus Lübeck großen Raum. Vor dem
Rückflug nach Berlin stand am Donnerstag in Kilchberg am Zürichsee
ein Besuch des Grabs der Familie Mann auf dem Programm. Und mehr als
einmal zitiert Steinmeier den großen Dichter, der erst hier in der
Schweiz zum «späten Vernunft-Demokraten» geworden sei.
Wie eng die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz wirklich
sind, macht Bundespräsident Berset deutlich, der selbst teils in
Deutschland studiert hat. Erst erinnert er daran, dass das
Handelsvolumen zwischen beiden Ländern 2017 bei rund 100 Milliarden
Franken gelegen hat, mehr als der Warenaustausch Deutschlands mit
Japan, Indien, Kanada und Brasilien zusammen.
Berset geht auch launig auf die gängigen Klischees über die Schweiz
ein: Zwar bestehe das Land nicht nur aus Heidis, die über saftige
Wiesen liefen, sagte er in Anspielung auf die berühmten Kinderbücher
von Johanna Spyri. Aber Uhren, Schokolade, Käse - da sei etwas dran.
Und dann müsse auch noch über Fußball gesprochen werden: In 51
Spielen gegen die deutsche Nationalmannschaft hätten die Schweizer
neun mal gewonnen, sechs mal unentschieden gespielt und «ein paar
mal» verloren, sagt Berset. Sollten Deutschland und die Schweiz bei
der WM in Russland aufeinandertreffen, hoffe er mit seinen Landleuten
natürlich auf einen Sieg. «Aber ich wage eine Prognose: Selbst wenn
die Schweiz ihre Statistik verbessert, werden unsere Beziehungen
ausgezeichnet bleiben.»